Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
aufschlug und zu lesen begann.
Gott sei Dank war der Stoff keine Enttäuschung. Im Gegenteil, er zog ihn sofort in den magischen Bann der Welt des Mordens. Die morbiden Storys erfüllten Nathans Fantasie mit dem gleichen Gefühl wie eine neue Geliebte unter seinem starken Körper, während er eine köstlich entartete Seite nach der anderen verschlang.
Wie üblich beim Lesen raste die Zeit nur so dahin. Als er schließlich den Blick zu der großen Wanduhr hob, stellte er überrascht fest, dass er seit fast fünf Stunden gesessen und gelesen hatte. Es war beinahe sechs Uhr abends.
Zeit, weiterzuziehen. Nathan war ein Mann auf der Jagd und ein Gejagter zugleich, und es gab eine Menge Dinge, um die er sich zu kümmern hatte.
Wieder im Porsche zückte er seine krokodillederne Brieftasche und kontrollierte seinen Führerschein. Nathan hatte zahlreiche Aliase – jedes einzelne blütenrein und untermauert durch saubere Verkehrsregister in fünf Bundesstaaten. Trotzdem wäre es eine Dummheit gewesen, zu lange die gleiche Identität zu behalten. Es hätte ihn nur zu einem leichteren Ziel gemacht für die gierige kleine Hure, die sein Leben gestohlen hatte, und er wollte das gefährliche Spiel, auf das sie sich eingelassen hatten, um jeden Preis gewinnen.
Dennoch machte er sich keine allzu großen Sorgen, was seine gegenwärtige Identität betraf. Selbst wenn da draußen noch niemand etwas ahnte – Nathan Stiedowe wusste ganz genau, wer oder was er war. Und wozu er fähig war.
Abgesehen davon gab es stets weitere Identitäten, in die er schlüpfen konnte, falls erforderlich – Scharen von harmlosen, blökenden Schafen, die nur darauf warteten, aus der Herde gezerrt zu werden.
14.
Los Angeles International Airport,
9.30 morgens
In Danas Kopf drehte sich noch immer alles wegen der Flut an neuen Informationen, als die Maschine dreizehn Stunden später in Los Angeles landete.
Ihre Nachforschungen am Abend zuvor im Hotelzimmer hatten eine verblüffende Übereinstimmung der Details des Mordes an Mary Ellen Orton und des ersten von Richard Ramirez verübten Mordes ergeben. Dana hatte während des Fluges mit Brown darüber reden wollen, doch er war eingeschlafen, also musste sie dieses Vorhaben auf später verschieben. Brown war offensichtlich genauso erschöpft und überarbeitet wie sie selbst. Sie hätte sich gewünscht, genauso leicht einschlafen zu können. Ihr Kopf war zu voll, als dass sie abschalten konnte.
Sie hatte immer wieder kurze mentale Pausen eingelegt, um verstohlene Blicke auf den schlafenden Brown zu werfen. Kein Ehering. Und was den Rest anging: Er sah wirklich nicht übel aus. Glattes, faltenloses Gesicht. Dichtes braunes Haar. Ansehnliche Statur, nettes Lächeln. Er war der erste Mann seit einer ganzen Weile, der ihr Interesse erweckte, und sie hatte angebissen. Falls sie je dazu kommen sollte, außerhalb der Katastrophe von Match.com ein Privatleben zu haben, würde sie ihn sicher auf ihrer Tanzkarte eintragen. Doch Schmetterlingsküsse und Lebkuchenherzen mussten warten. Im Augenblick hatte sie einen Killer zu fangen, und bisher hatte sie erbärmliche Arbeit geleistet – zumindest nach ihren eigenen Standards.
Sie wollte verdammt sein, wenn sie den Tod noch einmal siegen ließ. Nicht schon wieder. Nicht dieses Mal. Nicht während ihrer Schicht. Sie war kein kleines Mädchen mehr, das sich hilflos zurücklehnte und mit ansehen musste, wie schlimme Dinge mit ihr selbst und mit den Menschen um sie her angestellt wurden. Sie musste sich zu hundert Prozent auf diesen kranken Bastard konzentrieren.
Es war ihr größter Fall, seit sie alleine arbeitete, und sie konnte sich keine Ablenkung leisten. Man stellte hohe Erwartungen an sie, und die durfte sie nicht enttäuschen. Sie hoffte inbrünstig, dass es richtig war, die Ermittlungen für den Moment hier in Los Angeles fortzusetzen, dreitausend Meilen entfernt, und dass der Cleveland Slasher nicht in der Zwischenzeit in Ohio unbehelligt ein weiteres kleines Mädchen ermordete.
Sie dachte erneut darüber nach, wie beharrlich Crawford darauf gedrängt hatte, dass sie nach Quantico geflogen war. Sie war so daran gewöhnt, seinen Bitten nachzukommen, dass sie seine Motive nach ihren anfänglichen Bedenken gar nicht mehr hinterfragt hatte. Mehrmals hatte es so ausgesehen, als wäre er drauf und dran gewesen, ihr etwas Wichtiges zu verraten; dann aber war er durch andere Dinge abgelenkt worden. Egal. Er wusste, wo er sie finden konnte, wenn er ihr etwas
Weitere Kostenlose Bücher