Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
dem von einer silbernen Klammer zusammengehaltenen Bündel in seiner vorderen Hosentasche zog. Er wartete ungeduldig, den Blick gesenkt, während der fette Kassierer mit den schlechten Zähnen und den Hängetitten umständlich das Wechselgeld zählte.
Nach einer unbestimmten Zeitspanne hob Nathan den Blick wieder.
Gütiger Himmel. Der Trottel bewegte doch tatsächlich beim Zählen die Lippen.
Gerade als Nathan zu dem Schluss kam, dass er wohl über den Tresen langen und den Schwachsinnigen erwürgen musste, weil er seine Zeit verschwendete, bimmelte hinter ihm die kleine Glocke über der Tür. Er drehte sich um und sah zwei vollbusige blonde Schwestern vom Wichita General Hospital hereinkommen. Braun gebrannte Beine, weiße Kittel und Schuhe.
Da war sie, die Bestätigung, auf die er gewartet hatte. Wie aus heiterem Himmel.
Nathans Ohren klingelten, als er beobachtete, wie die beiden ihre großen Styroporbecher mit doppelten Lattes füllten. Das konnte kein Zufall sein, nie im Leben. Die beiden waren sicher, zumindest für diesen Abend, aber das galt nicht für alle von ihrer Sorte.
Nachdem er von dem verblödeten fetten Kassierer endlich sein Wechselgeld in Empfang genommen hatte, eilte Nathan zu seinem BMW zurück und loggte sich mit seinem Computer auf der Webseite des Lonely Hearts Clubs ein, um das Profil der Schwesternschülerin abzurufen. Ihm wurde die Kehle eng, als er es mit neu entfachtem Interesse las.
Er betrachtete die Kurznachricht über ihrem Foto, aus der hervorging, dass sie am nächsten Abend in der Bibliothek sein würde, bevor sie sich später mit ein paar Freundinnen treffen wollte, um gemeinsam zu lernen.
Absolut perfekt. Insbesondere wegen der Freundinnen.
Nathan spürte, wie der Gedanke, welche Möglichkeiten sich ihm eröffneten, sein Herz schneller schlagen ließ. Er legte den Gang ein und lenkte den Wagen zurück in den Verkehrsstrom. Aus den Lautsprechern drang Ashley Balls Coverversion von Lecuonas Vals De Las Sombras .
Gottverdammt, das war so geil!
Endlich war er bereit, die Flügel auszubreiten und wie ein Adler loszufliegen.
Endlich war er bereit, Richard Specks unvergesslich sadistisches Verbrechen in perfekter Form neu zu erschaffen.
Mit einem bemerkenswerten Unterschied natürlich.
Nächster Halt: Chicago.
31.
Dana erzählte Brown von der möglichen Verbindung zu Richard Speck und bat ihn, Einsatzkräfte in der näheren Umgebung sämtlicher größerer Krankenhäuser von Chicago zu alarmieren.
»Es ist ein Schuss ins Blaue, aber vielleicht haben wir Glück«, erklärte sie. »Specks Opfer waren Schwesternschülerinnen. Ich nehme an, dass unser Killer es als Nächstes ebenfalls auf Schwesternschülerinnen abgesehen hat.«
Brown blickte auf die Uhr. »Wann wollen Sie aufbrechen? Es sieht allmählich danach aus, als hätten wir ihn hier verpasst.«
Dana zögerte. Die Spurensicherung war noch nicht abgeschlossen, und sie wollte sicher sein, dass die Arbeit richtig gemacht wurde. Es gab nur eine Lösung. Brown würde es wahrscheinlich nicht gefallen – nicht jetzt, nachdem er glaubte, persönlich verantwortlich zu sein für ihre Sicherheit –, aber es gab keine Alternative.
Dana atmete tief durch. »Ich möchte, dass Sie noch ein oder zwei Tage hier in Wichita bleiben und die Arbeit am Tatort für mich überwachen«, sagte sie.
Sie sah, dass er zum Widerspruch ansetzen wollte, und schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich brauche Sie hier, Jeremy. Es ist wichtig. Ich fliege morgen früh nach Chicago und setze dort alles in Bewegung. Aber zuerst lege ich einen Zwischenstopp in Cleveland ein, um meine Notizbücher zu holen und ein paar andere Dinge zu erledigen. Zum Beispiel muss ich dringend mit Templeton reden.«
»Sind Sie sicher, dass das eine gute Idee ist, Dana? Ganz allein nach Chicago zu fliegen? Der Gedanke gefällt mir überhaupt nicht. Wir könnten Sheriff Jackson hier alleine lassen. Er macht mir einen sehr fähigen Eindruck.«
Dana schüttelte den Kopf. Browns Besorgnis war rührend, aber sie hatte ihre Entscheidung getroffen. »Nein. Ich möchte, dass Sie das übernehmen. Jackson ist tüchtig, aber er weiß nicht, worauf er achten muss. Im Gegensatz zu Ihnen.«
»Und worauf genau muss ich achten?«
»Das werden Sie erkennen, sobald Sie es sehen«, antwortete Dana. »Ich setze volles Vertrauen in Sie.«
»Danke, sehr tröstlich.«
»Keine Ursache.«
Brown stieß die Luft aus. »Also gut, Sie sind der Boss. Mir bleibt wohl nichts
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