Töte mich - Osborne, J: Töte mich - Kill Me Once
anderes übrig, nehme ich an.«
Dana lachte und boxte ihn freundschaftlich gegen die Schulter. »Verdammt richtig, Kumpel. Und dass Sie mir das ja nicht vergessen!«
Brown knallte die Hacken zusammen und salutierte zackig. »Jawohl, Ma’am!«
32.
Vor langer Zeit hatte Nathan Stiedowe ein ganz anderes Leben geführt.
Ganz zu Anfang war dieses Leben ziemlich rau gewesen, daran führte kein Weg vorbei. Seine Eltern waren religiöse Fanatiker gewesen, kranke Hirne durch und durch. Es war schon äußerst eigenartig, wenn ein so junger Mensch wie er eine solch schreckliche Wahrheit begriff.
Sein Vater war ein anmaßendes Arschloch gewesen, dem einer abging, wenn er Bibelverse zitieren konnte, während er Nathan schon wegen der kleinsten Verfehlung mit einer Gerte den blanken Hintern versohlte. Ein aus der Vorratskammer gemopster Apfel beispielsweise reichte aus, dass Nathan mit heruntergelassener Hose in knöcheltiefem Schnee an die große Eiche gefesselt wurde, die am Rand ihres abgeschiedenen Grundstücks stand. Im Lauf der Jahre hatte Nathan diesen Baum abgrundtief zu hassen gelernt.
Die laute Stimme seines Vaters, eine Mischung aus Sadismus und Selbstgerechtigkeit, dröhnte nach jedem brennenden Hieb mit der Gerte. Allem Anschein nach hatte es in jenen Jahren in der Gegend eine furchtbare Knappheit an Äpfeln gegeben.
»Der Dieb kommet nur, auf dass er stehle, würge und umbringe!«, missionierte er mit eifernder Stimme. »Johannesevangelium, Kapitel zehn, Vers zehn. Merk dir das, Junge!«
Die Gerte schnitt tief in Nathans Fleisch und hinterließ einen hässlichen Striemen.
»Falsche Waage ist dem Herrn ein Gräuel; aber rechtes Gewicht ist sein Wohlgefallen! Sprüche, Kapitel elf, Vers eins. Lebe nach diesen Worten!«
Ein weiterer Hieb mit der verdammten Gerte.
»Und sie nehmen Geschenke, auf dass sie vergießen Blut; sie wuchern und nehmen Zins voneinander und treiben ihren Geiz wider ihren Nächsten und tun einander Gewalt und vergessen mein. Also spricht der Herr. Siehe, ich schlage meine Hände zusammen über den Geiz, den du treibst, und über das Blut, so in dir vergossen ist. Hesekiel, Kapitel zweiundzwanzig, Verse zwölf und dreizehn.«
Und während die wütenden Gertenschläge seinen Hintern und seinen Rücken entstellten, gefroren Nathans Tränen in der eisigen Winterkälte. Sein Vater jedoch zeigte niemals Gnade oder Erbarmen. Es lag einfach nicht in seiner Natur. Er war mehr die Sorte Mann aus dem Alten Testament.
»Verrate mir, Sohn …«, pflegte sein Vater schließlich zu fragen, schwer atmend von der Anstrengung des Züchtigens, »… begreifst du eigentlich, warum ich dich bestrafe?«
»Ja, Vater«, pflegte Nathan zu antworten, verzweifelt bemüht, mit ruhiger Stimme zu sprechen. Der alte Mann hasste jede Zurschaustellung von Schwäche und reagierte darauf wie ein tollwütiger Hund, der einen Tropfen Blut am Hals eines Kindes entdeckt hatte. »Ja, Vater. Ich begreife es.«
»Bist du ganz sicher, Junge? Nimm meinen Rat an – denke sorgfältig nach, bevor du antwortest.«
Das Herz rutschte ihm noch tiefer in die Hose. »Ja, Sir. Ich verstehe das. Stehlen ist Unrecht.«
Es war die falsche Antwort.
»Du verlogener kleiner Bastard!«
Die erzürnte Stimme seines Vaters hallte durch die umliegenden Wälder und versetzte eine Kaninchenfamilie vor ihrem Winterbau in Furcht und Schrecken. »Denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar und gottlos! Zweites Buch Timotheus, Kapitel drei, Vers zwei! Brüste dich niemals mit Wissen, das du nicht besitzt, du verdorbenes Früchtchen!«
Falls Nathan jemals aufstöhnte oder gar schrie während dieser regelmäßigen Bestrafungen, wurde es umso schlimmer. Sein Vater reagierte schon auf ein leises Wimmern, als wäre es ein Schlag in sein Gesicht – das hatte Nathan schon ganz zu Anfang auf schmerzliche Weise erfahren müssen.
Nach einem besonders brutalen Hieb während einer Bestrafung – Nathan hatte ein paar Zeilen aus der Bibel vergessen, die er hatte lernen sollen – hatte der Junge instinktiv einen leisen Schrei ausgestoßen. Er hatte den Kopf gedreht und seinen Fehler sofort erkannt, als er sah, wie sich das derbe, hässliche Gesicht seines Vaters vor Wut verzerrte.
Die Schläge waren nur so auf ihn heruntergeprasselt.
»Weine keine falschen Tränen der Heuchelei, Sohn! Es sind keine wahren Tränen der Reue! Du weinst, weil Gott der Herr dich nicht vor
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