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Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)

Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Lucie lebte. Sie lebte, sie hatte nicht gelitten, war keinen Kinderschändern in die Hände gefallen, und man würde sie finden, ganz gewiss.
    Der Weg beschrieb eine Kurve, sie sahen das Haus. Grau und geduckt schmiegte es sich in die kleine Bucht, als wäre es schon immer da gewesen. Vielleicht ein Stützpunkt für Schmuggler. Es stand allein und vermittelte den Eindruck von Einsamkeit, obwohl der nächste Ort höchstens einen Kilometer weit enfernt lag. Vom Wasser aus war es bequemer zu erreichen, weiter unten, wo die Felsen an einem winzigen Kiesstrand endeten, gab es einen Anlegesteg. Eine in den Stein gehauene Treppe führte hinab. Ein Boot war nicht zu sehen, auch kein Auto. Das Haus war aus groben grauen Steinen gebaut. Es wirkte verlassen und schläfrig, eine Kletterrose überwucherte das halbe Dach und es hatte blaue Fensterläden, die geschlossen waren. Leander hatte nicht wirklich daran geglaubt, Lucie hier zu finden, aber nun zwickte ihn doch eine kleine Enttäuschung.
    Sie waren angekommen, Selma stellte den Motor ab, stieg aus und umrundete das Gebäude. Auch Leander kletterte aus dem Auto und schaute sich um. Zur Meerseite hin gab es einen Garten, wobei »Garten« übertrieben war, es handelte sich um eine Fläche mit vertrocknetem, ins Kraut geschossenem Gestrüpp und einem windschiefen Baum, umgeben von einer Steinmauer. An einer Ecke lagerte ein Rest Brennholz. Jenseits der Mauer war nur noch Fels, aus dessen Spalten dürres Gestrüpp wuchs und ab und an kleine, zarte Blumen, die sich im Wind bogen. Felsen und Meer, sonst nichts. Ein Ort, der ihn frösteln ließ. Kein Ort für die Seele eines Kindes. War Lucie hier gewesen? Wie lange? Wie hatte sie das ausgehalten? Ihr wurde doch immer so schnell langweilig.
    Selma ging zurück zum Wagen, kam mit etwas Werkzeug zurück, und ein paar Minuten später hatte sie die Haustür aufgebrochen. Leander spürte erneut diese Enge in der Brust. Wenn das alles vorüber war, musste er mal zum Kardiologen.
    Es wurde besser, nachdem sie das Haus betreten und die Fensterläden aufgestoßen hatten. Es war einfach eingerichtet, und es hatte diesen typischen abgestandenen Geruch von Häusern, die nicht oft bewohnt wurden. Im großen Raum, der Wohnzimmer und Küche zugleich war, hatte die Besitzerin einen Mahagonischreibtisch so vor dem Fenster platziert, dass sie über den Garten hinweg auf den Skagerrak blicken konnte. Im Schlafzimmer befand sich ein breites Bett aus Metall und an der Wand ein Kinderbett mit weißen Gitterstäben. Ein gewebter rosa Läufer lag davor. Leander berührte die Matratze. Hatte Lucie darin gelegen?
    Im Kleiderschrank waren noch Bettwäsche und Laken und zwei Sommerkleider, blau und bunt. Neben dem Schrank stand eine Kommode. Leander öffnete die oberste Schublade. Babysachen. Er sah sie durch. Nichts von Lucie, natürlich nicht. In der zweiten Schublade lagerten Handtücher, Stoff- und Wegwerfwindeln, und als er die untere Schublade öffnete, erschrak er. Was waren das für seltsame Geräte? Ein Inhalator. Eine Infrarotlampe. Dünne Schläuche, Einwegspritzen und ein Ding, das wie eine Sauerstoffmaske aussah. War Lucie krank geworden? Quatsch! Ihr eigenes Kind war krank gewesen, schwer krank. Wahrscheinlich war es gestorben. Warum sonst hätte sie ein anderes entführen sollen? Langsam wurde ihm auch klar, was Selma hier suchte. Er ging zurück in den Wohnraum.
    Sie kniete vor einem eisernen Bollerofen am Boden, blickte kurz zu ihm auf und wies auf eine Falltür mit einem dicken Eisenring.
    »Lass mich«, sagte Leander und zog die Tür auf. Es ging leichter, als er gedacht hatte. Steinerne Stufen führten ins Dunkel hinab. Ein kalter Hauch streifte sie.
    »Ich hol die Lampe«, sagte Selma und ging zum Wagen. Das Haus war nicht an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen, irgendwo stand wahrscheinlich ein Generator, denn die Lampen waren elektrisch. Einen Kühlschrank gab es nicht, und der Herd wurde mit einer Gasflasche betrieben.
    »Soll ich?«, fragte Leander, als Selma zurückkam.
    »Auf keinen Fall. Das ist mein Job.« Sie leuchtete die Treppenstufen an und stieg hinunter. Leander fröstelte erneut. Er beugte sich über die Luke und betrachtete, was der Lichtstrahl aus dem Dunkel riss. Ein kleiner Vorratskeller, gerade so hoch, dass Selma aufrecht stehen konnte. Regale aus Eisen, die Wände blanker Fels. Konservendosen, hauptsächlich Obstkonserven, Putzmittel, angebrochene Farbdosen, ein Kanister mit Seife für den Holzboden.

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