Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
lief eine Frau, die einen schwarzen Buggy schob. Das Kind darin hatte etwas Rotes auf dem Kopf. Die Vodafone-Kappe! Tinka rannte los.
Leander wurde aus einer Besprechung geholt. Die Kripo wartete auf ihn, ein Mann und eine Frau, die ihm mit ernster Miene erklärten, dass Lucie verschwunden sei.
Zuerst verstand er gar nicht, was sie meinten, und einen verwirrten Moment lang glaubte er, dass ihn Tinka mit Lucie verlassen hätte. Dass sie mit Lucie weggefahren war, zu ihren Eltern nach Utby oder ins Ausland, so etwas hörte man ja ab und zu. Nachdem die Sache mit Eva aufgeflogen war, hatte Tinka zunächst mit einer Wut und Heftigkeit reagiert, die er ihr vorher nie zugetraut hätte, und danach tagelang geschwiegen. Sie müsse nachdenken. Ob und wie es weitergehen solle. Um ein Haar hätte sie den schon gebuchten Korfu-Urlaub abgesagt. Leander hatte sie angefleht, es nicht zu tun und ihnen noch eine Chance zu geben. »Denk doch an Lucie!« – »Das hättest besser du getan!« Unter der griechischen Sonne hatten sie sich wieder einigermaßen versöhnt, aber zurück blieb ein Riss, der jederzeit wieder aufzubrechen drohte. Seither war ihre Ehe wie ein Tanz auf dem Vulkan.
Blödsinn!, erkannte er im selben Atemzug. So etwas Verrücktes würde Tinka niemals tun, und selbst wenn, dann hätte sie wohl nicht die Polizei darüber in Kenntnis gesetzt. In diesem Fall hätte er abends vor leeren Schränken gestanden und einen Zettel auf dem Küchentisch vorgefunden.
Die Kripobeamten nahmen ihn in ihrem Dienstwagen mit aufs Präsidium. Es waren bereits etliche Streifenwagen unterwegs, um nach Lucie zu suchen, das konnte Leander dem Pingpong der krächzenden Funksprüche entnehmen. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich alles noch unwirklich an, und Leander kam es vor, als wäre er in einen Film geraten. Aber die Angst war schon da, und sie wurde von Minute zu Minute größer.
Man brachte ihn zu einem Kommissar namens Greger Forsberg. Ein besonnener Typ Anfang vierzig, der einen professionellen Eindruck machte. Er teilte Leander in dürren Worten das Wenige mit, was man zu diesem Zeitpunkt wusste. Auch Tinka war bereits im Präsidium, in einem anderen Büro. Der Kommissar wollte zuerst mit Leander allein sprechen. Er hatte nicht die Kraft, sich zu widersetzen. Es fiel ihm schon schwer, sich aufrecht auf dem Stuhl zu halten. Eine maßlose, nie gekannte Angst schnürte ihm die Kehle zu und legte sich wie eine kalte Klammer um sein Herz.
Sie nannten es Befragungen, aber es waren Verhöre. Sie, die Eltern, waren Verdächtige.
Kommissar Greger Forsberg war erst seit Januar dieses Jahres für Vermisste Personen zuständig. Seine Exkollegen von der Fahndung fanden dies, milde ausgedrückt, erstaunlich. Auch sein Chef, Anders Gulldén, hatte gezögert, ausgerechnet ihm diesen Posten anzuvertrauen, aber Forsberg hatte ihn darum gebeten. Böse Zungen behaupteten, er habe dies nur getan, weil mit der Stelle ein eigenes Büro verknüpft war.
Sein erster Fall war ein neunzigjähriger, desorientierter Mann gewesen, der nach zwei Tagen Suche tot aufgefunden worden war. Er war in der Nähe der Delsjön-Seen erfroren, gar nicht weit weg von Forsbergs Wohnung in Skår. Man hätte es als böses Omen werten können, aber Forsberg war nicht abergläubisch. Die fünf anderen verwirrten Senioren, die seit Antritt seines Postens als vermisst gemeldet worden waren, hatte man denn auch alle lebend wiedergefunden, zwei ausgerissene Teenager waren von selbst wieder heimgekehrt, drei andere aufgestöbert worden, nachdem Forsberg sich ihre Freunde vorgeknöpft hatte. Und sämtliche nach Sauftouren abgängigen Ehemänner waren ebenfalls wieder aufgetaucht.
Der Fall Lucie Hansson hatte jedoch das Potenzial eines medialen Großereignisses und es war zu befürchten, dass die Presse ihn zu einem zweiten Maddie-Fall aufbauschte. Zumindest waren die Umstände von Lucies Verschwinden ähnlich spektakulär und rätselhaft wie bei dem schottischen Kind, das im Mai des Jahres aus einem Hotelzimmer in Portugal verschwunden war.
Gerade hatte Forsberg die Eltern nach Hause bringen lassen, da erschien auch schon Eva Röög vom Göteborg Dagbladet auf der Bildfläche. Normalerweise pflegte Forsberg mit der Journalistin ein wenig zu flirten, ehe er mit Informationen herausrückte, aber heute war beiden nicht danach zumute. Außerdem kam sie in Begleitung eines gegelten Schnösels, den sie als »Leif Hakeröd, mein neues Faktotum«, vorstellte. Sie wurde blass, als Forsberg
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