Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Polizeischule. Sie war immer recht lässig. Cool, wie man heute sagt. Aber kaum war das Kind da« Er trank, fuhr sich über die Lippen, redete weiter: »Ich konnte ihr nichts mehr recht machen, egal, was ich mit dem Kind anstellte, sie hatte immer was daran auszusetzen. Also ließ ich sie machen. Daraufhin warf sie mir vor, ich würde mich drücken. Dann habe ich mich schließlich wirklich verdrückt. Am Anfang habe ich Annika noch regelmäßig gesehen, dann hieß es immer öfter: Sie ist krank, die Freundin feiert GeburtstagIrgendwas war immer. Und mir war das manchmal ganz recht. Ich hatte meinen Job, damals hatte ich noch Ehrgeiz. Irgendwann wollte mich Annika angeblich gar nicht mehr sehen und ich schickte ihr nur noch jedes Jahr ein Geschenk zum Geburtstag.«
Er machte eine Pause, um sein Glas zu leeren. Auch Selma stürzte den Wodka hinunter. Er brannte wie Lava. »Verflucht, was ist das denn für ein mieses Zeug?«, keuchte sie.
»Schwarzgebrannter, nichts für kleine Mädchen!«
Selma hustete.
»Benedikte und ihr Mann starben 2000. Autounfall. Annika kam zu mir. Sie war zwölf. Sie kannte mich kaum noch und nahm es mir übel, dass ich mich nie um sie gekümmert habe. Sie hatte ja recht. Ich war einfach ein lausiger Vater.«
»Es gibt schlimmere Väter als solche, die nicht da sind«, sagte Selma.
Forsberg nickte in sein leeres Glas. »Sie warna ja, die Pubertät. Und dann dieser DickkopfEs gab ständig Krach zwischen uns. Ich glaube, sie hat mich gehasst.«
»Wie ist sie verschwunden?«
Er machte eine Geste, als wollte er sich durchs Haar streichen, um dann verwundert festzustellen, dass kaum noch etwas davon übrig war. Er murmelte etwas von einem verfluchten Türken und schüttete den restlichen Inhalt der Flasche in sein Glas.
»Am 10. Oktober 2003 wollte sie auf eine Party und ich hab es ihr verboten. Sie hatte einen Freund, er war neunzehn, sie sechzehn geworden. Er war einige Male wegen Diebstahls und Drogendelikten auffällig geworden. Ich war so dumm, ihr das zu sagen«
»Was?«, fragte Selma.
»Dass ich ihn überprüft hatte. Sie war natürlich stinksauer. Herrgott, ich wollte sie doch nur beschützen! Aber ich hatte an dem Abend Dienst und ich konnte sie ja schließlich nicht anbinden. Am nächsten Morgen war sie nicht da. Ich glaubte erst, sie wäre zu der Party gegangen und dort versumpft. Aber da war sie nicht.«
»Und ihr Freund? War der da?«
»Der schon. Zuerst nahm ich noch an, sie wäre bei Freunden untergeschlüpft, um mich zu bestrafen. Das war natürlich ein Fehler. Man macht so viele Fehler.« Er trank und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Als sie nicht wiederkam, habe ich sie alle vernommen, immer wieder: Freunde, Freundinnen, KlassenkameradenKeiner wusste, wo sie war, sie hat sich angeblich bei niemandem gemeldet. Dem Freund von ihr, Boris Lindström, dem habe ich die Hölle heißgemacht, der wurde wochenlang überwacht.« Forsberg verzog den Mund. »Der ist inzwischen ein Banker! Passt ja irgendwie«
»Hat sie Sachen mitgenommen?«, fragte Selma.
»Ja. Ihre Lieblingsklamotten, ihr Adressbuch, ihren Pass und drei von ihren Stofftieren. Und die Fotos ihrer Mutter.«
»Um unterzutauchen, braucht man Hilfe.«
»Wie ich sie kenne, ist sie einfach losgefahren. Vielleicht per Anhalter. Vielleicht ist sie an irgend so ein Schwein geraten«
Selma betrachtete erneut die sieben Postkarten: Edinburgh, Amsterdam, Turin, Berlin, London, Lissabon, Montpellier. Die erste nach knapp drei Jahren.
»Willst du ihr Zimmer sehen?«, fragte Forsberg.
Selma sagte Ja, obwohl es ihr eigentlich gegen den Strich ging. Viel zu persönlich. Morgen würde Forsberg sie dafür hassen.
Er stand auf, schnaufte und wankte ein bisschen, ging dann aber voran und öffnete die Tür am Ende des Flurs, an der ein Aufkleber eine Faust mit einem ausgestreckten Mittelfinger zeigte.
Es war das typische Zimmer einer Sechzehnjährigen, in dem das äußere Durcheinander den inneren Aufruhr widerspiegelte. Poster von Goth-Rock- und Darkwave-Bands an den Wänden, von denen zwei schwarz und zwei blutrot angestrichen waren. Im Regal standen Schulbücher neben historischen Romanen, Sagen und Fantasy, darunter mindestens zehn Bände von Eyja de Lyn.
»Die hab ich auch alle gelesen«, rief Selma. »Die Elfenprinzessin Ámunda und ihr zahmer Adler Mýsingur, und die Nachtfee Druna«, zählte sie auf, als hätte sie gerade alte Bekannte getroffen.
Forsberg beäugte sie, als wäre sie ein fremdartiges
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