Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
ohne ihre Eltern zurechtgekommen. Demnächst könnte sie Lillemor in eine Krippe geben und sich wieder einen Job suchen. Was Lillemors Vater anging, schwieg sie sich ihren Eltern gegenüber aus.
Ulrika hatte an allem etwas zu mäkeln. Es missfiel ihr, dass Camilla Lillemor abgestillt hatte, Stillen sei doch viel billiger. Nein, sie dürfe nicht immer gleich beim ersten Quäker nach ihr sehen und sie herumtragen, damit würde sie sie nur verziehen. Der Schnuller – ein Kardinalfehler! Sie würde schon sehen, wenn das Kind später schiefe Zähne hätte. Und diese Wegwerfwindeln, viel zu teuer, die reine Verschwendung
»Wenn du alles besser weißt, behalte du sie doch«, sagte Camilla.
Man merkte Ulrika an, dass sie nur auf eine Gelegenheit gewartet hatte, um loszuwerden, was sie nun hasserfüllt hervorstieß: »Das würde dir so passen! Mir deinen Bankert aufhalsen, damit du weiter in der Stadt herumhuren kannst.«
Camilla biss die Zähne zusammen und sagte dann leichthin: »Du würdest natürlich den Unterhalt bekommen, den mir ihr Vater überweist. Immerhin achthundert Kronen im Monat.«
»Achthundert, sagst du?«
»Ja.«
»Ist ja nicht die Welt.«
»Denk darüber nach. Morgen fahr ich zurück.«
Selma erinnerte sich nicht, jemals im Stadtteil Skår gewesen zu sein, erkannte aber, dass sie dabei nicht allzu viel versäumt hatte. Das Haus stand am Ende der Straße, machte selbst jetzt, im Dunkeln, einen heruntergekommenen Eindruck und passte nicht zum biederen, gepflegten Rest des Viertels. Das wiederum war typisch für Forsberg, dachte Selma, während sie auf die Klingel drückte. Die Namen an den Schildern ließen auf eine internationale Mieterschaft schließen. Drei Wohnungen standen leer oder die Mieter wollten nicht gefunden werden. Niemand öffnete. Sie hatte den ganzen Abend vergeblich versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen, und war dann kurz entschlossen hierhergefahren. Sie fand, dass er von Frau Bobrows Verhaftung erfahren sollte. Insgeheim aber war sie auch neugierig, wie er so lebte.
Die Tür ging auf, und eine junge Inderin schob einen Kinderwagen heraus. Sie trug einen verwirrend bunten Sari. Selma hielt ihr die Tür auf und nutzte die Gelegenheit, um ins Haus zu gelangen. Durchgetretene Holzstufen. Etwas wie Katzenstreu knirschte unter den Sohlen ihrer Turnschuhe. Im zweiten Stock stand sein Name neben der Tür, und durch die Scheibe darüber sah man Licht brennen. Selma fand keine Klingel und hämmerte gegen das Holz. Offenbar hatte sie es übertrieben, denn das Türschloss sprang auf, ohne dass sie von drinnen Schritte gehört hätte. Das sah ihm ähnlich, nicht mal abzuschließen.
»Greger? Hej, ich bin’s, Selma. Bist du da?«
Ein Sakko, das sie noch nie an ihm gesehen hatte, hing im Flur. Die Wand neben der Garderobe hatte einen breiten Riss, die Ziegel schauten heraus. War das Kunst?
»Hej? Ist jemand da?«
Sie drückte die Wohnungstür hinter sich zu und folgte dem Lichtschein, der aus der Küche kam. Hoffentlich platze ich nicht in eine romantische Szene, dachte sie, was sie jedoch nicht am Weitergehen hinderte.
Tatsächlich konnte die Situation kaum peinlicher sein. Ihr Chef saß am Tisch, umklammerte ein Wasserglas und starrte sie aus blutunterlaufenen Augen an. Er hatte sein Haar kurz abrasiert, sodass er nun fast wie eine ältere Ausgabe von Bergeröd aussah. Schnapsgeruch hing in der Luft. Falls die Flasche, die auf dem Tisch stand, vor kurzem noch voll gewesen war, dann traf das jetzt wohl auf Forsberg zu. Sie überlegte, ob sie sich umdrehen und wieder gehen sollte. Wenn sie Glück hatte, würde ihr Vorgesetzter sich morgen gar nicht mehr an ihren Besuch erinnern oder die Erinnerung daran seinem Delirium zuschreiben. Aber so betrunken schien er dann auch wieder nicht zu sein.
»Was, zum Teufel, willst du hier?«
Selma berichtete, was sie von Bergeröd gehört hatte, aber sie hatte nicht den Eindruck, dass Forsberg auch nur Teile davon mitbekam. Er starrte sie während ihrer gesamten Rede dumpf an und senkte dann wieder den Blick auf eine Sammlung von Ansichtskarten, wie Leute sie früher, und zuweilen noch heute, auf Urlaubsreisen schrieben.
Selma setzte sich ihm gegenüber, darauf gefasst, dass er sie zum Gehen aufforderte. Aber er fragte nur nach einer Zigarette und sie drehte ihm eine und dann noch eine für sich.
Während sie rauchten und die Asche in einen benutzten Teller schnippten, blickte sich Selma verstohlen um. Es war leidlich sauber und aufgeräumt,
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