Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
musste Forsberg zugeben, dass Zusammenarbeit manchmal notwendig war. Besonders jetzt.
Die Sache mit Cederlund kam ausgesprochen ungelegen. Am Montag, dem 15. August, an Mariä Himmelfahrt, war die sechsjährige Valeria Bobrow aus der Önskevädersgatan in Biskopsgården verschwunden. Ihre Mutter, Oxana Bobrow, putzte nachts Bürogebäude, weshalb sie froh gewesen war, als ihre Tochter am Morgen gesagt hatte, sie wolle zu ihrer Freundin Bahar Haaleh, die in der Godvädersgatan wohnte. Sie hatte ihren zehn Monate alten Sohn gefüttert und hingelegt, dann war sie selbst eingeschlafen. Als Valeria abends um sieben Uhr noch immer nicht zu Hause war, ging Frau Bobrow los, um sie zu suchen. Valeria war jedoch gar nicht bei ihrer Freundin gewesen und Bahar Haaleh hatte von dem geplanten Besuch Valerias nichts gewusst. Außer Bahar hatte Valeria anscheinend keine Freundinnen oder Freunde. Zumindest keine, die die Mutter kannte.
Erschwert wurde die Ermittlung dadurch, dass Valerias Mutter aus Russland kam, nur schlecht Schwedisch sprach und offenbar nicht gerne mit Polizisten redete. Die zwei letztgenannten Punkte trafen allerdings auf die meisten Bewohner des Viertels zu, und man hätte einen ganzen Pulk unterschiedlicher Dolmetscher gebraucht, um die Befragungen effizient durchzuführen. Frau Bobrows Freund, ein gewisser Ivan Krull, wohnte in einem benachbarten Block. Krull war ein Kleinkrimineller aus Tallinn. Er war bisher wegen Alkohol- und Zigarettenschmuggels aufgefallen, außerdem war in seiner Akte eine Bewährungsstrafe wegen Schwarzbrennerei vermerkt. Krull hatte den fraglichen Montagnachmittag mit zwei Kumpels in einer Spielhölle verbracht, das hatten diese und die Aushilfskraft, die dort Dienst gehabt hatte, bestätigt. Forsberg waren schon bessere Alibis untergekommen, aber im Moment bestand kein Grund, es anzuzweifeln.
Es gab kein einziges vernünftiges Foto von Valeria. Die Mutter besaß keine Kamera, und auch sonst hatte es offenbar jahrelang niemand die Mühe wert gefunden, das Kind zu fotografieren. Das jüngste Foto des Mädchens war schon drei Jahre alt, sonst gab es nur ein Klassenfoto, aber der Ausschnitt mit Valerias Gesicht war durch die Vergrößerung sehr grobkörnig geworden.
Inzwischen hingen im ganzen Stadtviertel Plakate mit diesem unzulänglichen Bild und der mehrsprachigen Aufforderung, sich bei der Polizei zu melden, falls jemand etwas beobachtet oder Valeria am 15. August oder danach noch gesehen hatte. Doch entweder hatte niemand etwas gesehen oder die Leute scheuten sich aus verschiedenen Gründen, zur Polizei zu gehen. Forsberg wunderte das nicht. Biskopsgården, insbesondere Norra Biskopsgården, war ein Ghetto, daran änderten auch die Investitionen zur Imageverbesserung nicht viel, die der Göteborger Stadtregierung immerhin fünfzig Millionen Kronen wert gewesen waren. Seit der Wirtschaftskrise brannten dort regelmäßig Autos.
Natürlich verfolgte auch die Presse den Fall und druckte entsprechende Aufrufe, was zur Folge hatte, dass sich die üblichen Irren und Wichtigtuer angesprochen fühlten und der Polizei die Arbeit schwer machten. Kripochef Anders Gulldén ließ zurzeit alle polizeibekannten Pädophilen in Västra Götaland überprüfen und vernehmen. Das Waldgebiet westlich des Sees Svartemossen, der an Biskopsgården grenzte, war mehrmals mit Spürhunden abgesucht worden. Doch alle Anstrengungen waren ins Leere gelaufen.
Valeria litt an nervösem Asthma.
Forsberg hatte kein gutes Gefühl.
Selma Valkonen brauchte für die Fahrt an den Vättern fast zwei Stunden, da sie es nicht riskieren wollte, auf ihrer ersten Tour mit dem Dienstwagen einen Strafzettel zu bekommen. Außerdem genoss sie es, allein zu sein. Ohne Forsberg. Das Navigationssystem hatte sie vor Jonköping auf die 195 geschickt und dann auf immer enger werdende Landstraßen. Sie passierte ein Dorf, folgte einem schmalen Feldweg und schwenkte schließlich in eine kiesbedeckte Auffahrt ein, in der ein schwarzer Volvo S80 parkte. Cederlunds Wagen.
Das sah nicht gut aus.
Das Sommerhaus war ein einstöckiges, schiefergedecktes Gebäude, dessen Giebel wie ein spitzer Zahn in den Himmel ragte. Selma betrat die weiß gestrichene, umlaufende Veranda, suchte aber nicht sofort nach dem Schlüsselversteck, sondern bog zuerst um die Ecke. Von hier hatte man einen weiten Blick über den See. Sie drehte sich eine Zigarette und während sie rauchte, sog sie die ruhig schwingenden Töne der Landschaft in sich auf. Eine
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