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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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nicht immer alles! Warum kann ich keine Geheimnisse haben? Warum muss ich immer alles erklären?“ Verónica nahm dankbar den Espresso entgegen, den Marit ihr hinstellte. „Und warum muss sie immer alles gegen sich auslegen? Sie denkt, alles hat mit ihr zu tun. Heute genauso. Sie kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass ich etwas nur meinetwegen und für mich mache und sie dabei gar keine Rolle spielt: Ich kann doch wohl selbst entscheiden, wie ich hier ankomme, oder?“
    Marit nickte. „Natürlich kannst du das. Und du solltest dir das von ihr auch nicht nehmen lassen. Im Gegenteil. Es ist auch für sie eine Chance.“ Marit verschränkte die Hände im Nacken und lehnte sich ein wenig zurück. „Sie muss endlich lernen, dass es noch etwas anderes im Leben gibt als Arbeit und Beziehung. Entweder sie kümmert sich um Tote oder sie kümmert sich um Lebende. Aber sie kümmert sich nie um sich selbst.“ Inges Tochter lächelte. „Jedenfalls nicht außerhalb ihrer vier Wände.“
    „Für mich ist es jetzt gelaufen.“
    „Was ist gelaufen?“
    „Ich habe keine Lust, mich zu rechtfertigen und zu erklären, warum ich schon hier bin. Ich bin Mitte dreißig und kein kleines Kind mehr. Und ich weiß auch nicht mehr, ob Inge und ich dasselbe wollen.“
    „Das Gleiche.“
    „Was?“
    „Du meinst, ob ihr das Gleiche wollt. Dasselbe kann man nicht wollen, dasselbe wäre identisch, das ist unmöglich. Aber auch das Gleiche zu wollen, ist äußerst selten. Ich persönlich finde das auch nicht notwendig. Und langweilig. Ihr seid eben verschieden. Deshalb mögt ihr euch doch.“ Sie trank ihren Espresso in einem Zug aus. „Meine Mutter will einerseits eine symbiotische Zweierbeziehung und andererseits Single sein. Und du?“
    Verónica schaute sie perplex an. „Das denkst du?“
    „Davon bin ich überzeugt. Und ich kenne sie ein bisschen länger als du.“
    In diesem Augenblick läutete die Ladenglocke und ein Mann und eine Frau betraten das Geschäft. Marit entschuldigte sich, stand auf und Verónica hörte, wie sich die beiden nach den Trauringen erkundigten, die man in Marits Goldschmiede unter fachkundiger Anleitung selbst herstellen konnte.
    Marits Frage stand noch immer im Raum. Und du?
    Sie wollte leben. Mit Inge, aber auch allein. Sie genoss die gemeinsam verbrachten Wochenenden, aber sie war auch froh, wenn sie ihre Wohnung wieder für sich hatte. Sie liebte es, mit Inge einzukaufen, aber ebenso gern tat sie es ohne sie. Urlaub mit Inge am Meer war traumhaft, aber Ferien mit ihrer besten Freundin machten ihr genau soviel Spaß. Doch es fühlte sich nicht an wie ein Einerseits und Andererseits. Vielmehr wollte Verónica beides. Und auf nichts davon verzichten. Aber Inge spielte nicht mit. Sie wollte auch an dem Leben teilhaben, das sie mit anderen oder auch nur mit sich selbst verband. Oder glaubte Verónica das nur?
    Die Sonne fiel auf den dunklen, unebenen Holzboden, und die Dielen zeigten tiefe Spuren unendlich vieler Schritte. Kursänderung, dachte Verónica. Sofort die Richtung korrigieren, neues altes Ziel verfolgen: frei sein.
    Sie nahm das Handy aus ihrer Tasche und stellte es aus. Dann verließ sie Marits Laden mit einem kurzen Gruß. Die Hitze empfing sie wie die warme Umarmung eines alten Freundes. Mit dem sie nun als Allererstes einen Eiskaffee trinken würde.

Sechs
    Ich wusste. Mein Vater verkehrte in entsprechenden Kreisen.
    „Morgen gibt es einen Großtransport. Wird auch Zeit, dass wir hier endlich judenfrei werden.“ Ich hatte damals nichts wissen wollen, aber er liebte es, darüber zu reden. „Nach Polen, ins Ghetto. Da sollen sie verrecken.“
    Vielleicht hatte ich gedacht, in der Stadt wären selbst die Nazis zivilisierter, doch in Berlin war nichts besser als bei mir zu Hause. Nur unübersichtlicher.
    Ich wusste, dass Hannes mich fragen würde, was niemand je fragte. Es gab noch zu viele, die nicht erinnert werden wollten.
    „Warum hast du nichts dagegen getan?“
    Angst.
    „Wovor?“
    „Gefängnis. Sie nannten es Schutzhaft und sie drohte jedem, der sich den Kontakt zu den Juden nicht verbieten ließ. Also senkte ich den Blick, wenn Besternte meine Augen suchten. Ich ging kaum mehr zu Fuß, hielt mich von den Gehwegen fern und nahm Busse, in die sie ja nicht mehr einsteigen durften. Meine Scham, so fürchtete ich, meine Schwäche und meine Feigheit standen mir auf der Stirn geschrieben. Helene war anders. Sie und ihre Freunde versteckten Juden oder verhalfen ihnen zur Flucht.
    Ob

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