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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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eingeschlossen hatte. Auch auf sein Bitten und Flehen hatte sie nicht reagiert. Aufschließen solle sie und herauskommen, miteinander reden müssten sie und er brauche sie doch jetzt. Ihre Mutter würde wollen, dass sie jetzt füreinander das wären. Sara hatte gehört, dass ihn das Reden Mühe kostete. Durch das Schlüsselloch geschaut und gesehen, wie er auf der Treppe zusammengesackt war, bevor er wieder nach unten verschwand.
    Konnte sich jemand Gottes Willen widersetzen?
    „Wir sind für alles verantwortlich, was wir tun. Gott lehrt uns, was falsch und richtig ist.“
    Wenn aber Gott den Zeitpunkt bestimmt, wann er einen Menschen zu sich holt, dann braucht er auch einen, der die Arbeit für ihn übernimmt. Eine Krankheit. Einen Unfall. Oder einen Mörder. Was, wenn sich ein Mörder weigert?
    Du sollst nicht töten.
    Kommt dann ein anderer ins Spiel? Oder bestimmt Gott am Ende doch alles? Und die Menschen haben keine Chance, sich seinem Willen zu widersetzen? Versteckt er sich deshalb?
    Umbringen, schreibt Sara unter das Wort tot.
    Sie hat es ganz genau gehört. Obwohl ihr Vater ganz leise gesprochen hat, ungewöhnlich leise, mit einer Stimme, die ihr einen Schauer den Rücken hinuntergejagt hatte.
    „Wenn du es ihm sagst, solange ich noch lebe, bring ich dich um!“

Acht
    Es gefiel ihm nicht, aber Hannes willigte ein, die Pistole in der Schublade meines Küchenschranks zu deponieren. Aber ich musste versprechen, sie ihm auszuhändigen, wenn er danach verlangen würde.
    „Hier ist sie besser aufgehoben als in deiner Tasche“, sagte ich und war mir nicht sicher, ob das stimmte.
    Allein die Gewissheit, eine Waffe im Haus zu haben, machte mich nervös. Zu deutlich hatte sich der Klang des Krieges in meinem Gedächtnis festgesetzt, der bloße Gedanke an dunkles Metall ließ mich erschauern. So durchdringend, so schnell, so unberechenbar war eine Kugel, so tief fraß sie sich in Fleisch und Blut, zerschnitt mit Leichtigkeit den Faden, an dem ein Leben hing. Doch das Schlimmste war das Geräusch. Das eiserne Peitschen, als ob sich zwei in Stahl getriebene Nägel am Horizont verfolgten. Der pfeifende Ton, der sich im Windkanal verfing, Wolken durchbrach und zerschellte an Mauern, eindrang in Holz oder zu langsame Körper. Es sind nicht die Schüsse, die fallen, es sind ihre Ziele. Wer Glück hatte, starb gleich. Wer Pech hatte, wurde nur leicht getroffen. Und vom Teufel geholt. Wie die Polinnen im Lager, die nicht getroffen, sondern ausgesucht worden waren.
    „Wofür?“, fragte Hannes
    „Sie waren ihre Versuchskaninchen. Das Militär hatte ein Problem mit der Wundinfektion der Soldaten an der Front. Man suchte nach einem Mittel, Verwundete zu retten. Also haben sie es an den Frauen ausprobiert.“
    „Sie haben mit ihren Wunden experimentiert?“
    Ich nickte nur. Ich erzählte nicht, dass sie ihnen, wenn sie keine hatten, welche zufügten. Dass ihnen die Waden aufgeschnitten und mit Holz- und Glassplittern gespickt wurden, nur, um sie zu infizieren. Wie die Frauen schrien vor Schmerzen, bettelten um Medikamente, Fieber bekamen und elend zugrunde gingen. Wie ich daneben stand und nichts für sie tun konnte, außer ihnen den Schweiß von der Stirn zu tupfen, ihre Lippen zu befeuchten, das eine oder andere Schmerzmittel in ein Glas Wasser zu mischen und zu hoffen, ihr Immunsystem möge gnädig sein und schnell zusammenbrechen.
    Ja, es gab Momente, in denen auch ich an Selbstmord dachte. Mehr als solche, die mich auf Erlösung hoffen ließen. Vielleicht bereitete mir auch deshalb der Gedanke an eine Pistole in Griffbereitschaft Unbehagen.
    Ich konnte ja nicht wissen.
    Schlimmes hat man nie hinter sich, denn die Angst, es könnte wieder passieren, läuft vor einem her, solange man lebt. Überleben heißt, den Tod im Nacken spüren müssen, um ein wenig Ruhe zu finden. Und doch wird der müde Geist unvorsichtig. Ruht sich mit den Jahren aus und glaubt an etwas so Unvorstellbares wie Frieden. Bis an einem Sonntagnachmittag das Grauen aus heiterem Himmel über ihn hereinbricht und ihn eines Besseren belehrt.
    Ich hätte den Vogel ängstlich flattern sehen müssen. Wachsamer sein. Doch Hannes hatte etwas in mir zum Leben wieder erweckt, das mich unvorsichtig machte.
    Ein zweites Mal in meinem Leben öffnete ich dem Unglück die Tür. Und wieder waren sie zu dritt.
    Ich hatte verlernt zu schreien. Vielleicht hatte ich auch gelernt, dass niemand gerne Schreie hört.
    Hannes war nicht schnell genug am Küchenschrank. Er war

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