Töten Ist Ein Kinderspiel
wehrlos: Ich hatte ihn entwaffnet.
Und keiner von uns konnte schnell genug aus dem Fenster springen.
In Gefangenschaft wird der Körper zum Aufbewahrungsort der Seele. Er schließt sie ein, versenkt sie in der Tiefe eines unberührbaren Inneren. Und wird zur Hülle.
Mich haben viele Hände angefasst, berührt hat mich keiner.
Als seine Peiniger Hannes in meinem Schlafzimmer gefesselt und ausgezogen hatten, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass er seine Seele in Sicherheit gebracht hätte.
Als sie mich auf das Bett stießen und an meinen Kleidern zerrten, war ich mir nicht sicher, ob es richtig war, meine Seele fortzuschicken und ihn den Augen der anderen preiszugeben.
Als seine glatte, weiße Haut auf meinen Panzer traf, versuchte ich ihn zu schützen. Einen Mantel der Unerschütterlichkeit über ihn zu werfen, gewebt aus dem letzten Rest Glauben an Gerechtigkeit und der Gnade zu verdrängen.
In seinen Augen pure Fassungslosigkeit. Die Finger gespreizt, die Muskeln angespannt, seine Mitte hilflos mir ausgeliefert.
Ritschratschklick.
Ritschratschklick.
Ritschratschklick.
Zwischen uns die Blitze und ihr blechernes Lachen. Die Dummheit satter Überlegenheit, das niedere Kleinmachen des Höhergeglaubten.
Ja, Hannes war ein Engel, und sie spürten es.
Wie sie spürten, dass ich sie niemals an den Pranger stellen könnte.
Wer würde mir, einer Verrückten, schon glauben?
Als die Flügel des Vogels brachen, ließen sie von ihm ab.
„Ein Wort zu irgendwem, und die Fotos stehen in der Zeitung. Und ihr seid tot.“
Nicht mehr nötig, dachte ich und blieb solange auf dem schmächtigen Körper liegen, bis ihre Stimmen verklungen waren.
Dann stand ich auf, holte ein Messer und schnitt Hannes die Fesseln durch. Zog mich an, schloss die Tür hinter mir, ging in die Küche und kochte Tee.
Und versteckte seine Pistole an einem anderen Ort.
Mittwochabend
Die Ergebnisse ihrer Recherchen waren eher dürftig: Estebán Valero stellte sich als der erfolgreiche Manager heraus, der er vorgab zu sein. Es gab keine Vorstrafen, keine Auffälligkeiten, keine Unstimmigkeiten.
„Hat er keine Freundin?“
„Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Boston.“
„Woher wissen wir das?“
„Interpol und clevere Recherche.“
Berger grinste, Erkner hob den Blick nicht von dem Bildschirm seines Laptops.
„Ihr habt schon wieder Fantasietelefonate geführt?“ Es war nicht das erste Mal, dass ihre Kollegen unter falschem Namen versucht hatten, an Informationen zu gelangen. Berger nannte das Vorgehen unorthodox und besser als nichts, Erkner fand, zur Verbrechensbekämpfung sei fast jedes Mittel recht.
„Das können wir nicht mal zu den Akten nehmen.“
„Doch. Unser chilenischer Freund hat bereits alles telefonisch bestätigt.“ Berger bog eine Büroklammer auf. „Er scheint verstanden zu haben, dass es besser für ihn ist, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Die Spitze der Büroklammer verschwand in einem Radiergummi. „Aber er verschweigt uns immer noch etwas. Als ob er unter Druck stünde.“
„Hast du ihm das gesagt?“
„Ja.“
„Sehr gut.“ Die Hauptkommissarin fächelte sich ein wenig Wind mit einer Mappe zu und ließ sie dann auf die Tischplatte fallen. „Bericht ist übrigens schon fertig. Der Sohn kommt mir immer wichtiger vor. Ich würde gerne mit jemandem reden, der uns etwas über Ben Mangold sagen kann.“
„Semesterferien. An der Uni wird es schwierig, Kommilitonen zu finden“, gab Frank Erkner zu bedenken. „Hat er keine Freundin? Kumpels?“
„Das müssen wir herausfinden, aber ohne gleich die Familie aufzumischen. Wir sollten ihn eine Weile beschatten. Er wird doch das Bedürfnis haben, mit einem Vertrauten zu sprechen. Immerhin ist seine Mutter tot und sein Vater am Sterben. Überhaupt – wie geht das alles weiter? Ben ist ja schon volljährig, aber was ist mit Sara, wenn der Vater weiter abbaut? Wer übernimmt ihre Vormundschaft? Ist das geregelt?“ Inge Nowak erwachte plötzlich aus ihrer Nachmittagsschläfrigkeit. „Was ist mit Testamenten? Wer erbt? Verdient jemand am Tod von Erika Mangold?“
„Also, Frank, du fährst morgen nicht allein. Wir sollten alle nach Zehlendorf fahren“, stellte Berger fest. „Hier kommen wir so nicht weiter. Wir nehmen uns Ingo Mangold noch einmal vor, Krankheit hin, Krankheit her. Und wenn wir schon mal da sind, befragen wir noch die Nachbarn und fühlen Sohn und Tochter auf den Zahn.“
„Du hast recht.“ Inge Nowak erhob sich und
Weitere Kostenlose Bücher