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Töten Ist Ein Kinderspiel

Töten Ist Ein Kinderspiel

Titel: Töten Ist Ein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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strich sich die verknitterte Hose glatt. „Wurden die persönlichen Sachen des Opfers eigentlich schon aus der Wohnung geholt und untersucht?
    Kopfschütteln.
    „Hätten wir gleich machen sollen, als wir gestern da waren. Die Hitze benebelt mich völlig.“
    Doch es war nicht nur die Hitze, die die Mordkommission unter Leitung von Inge Nowak seltsam gelähmt hatte. Es war die beklemmende Anwesenheit des Todes in der Person Ingo Mangolds, die zu einer unguten Mischung aus Mitleid und Respekt führte und damit schnell zu Nachlässigkeit.
    Das Telefon auf Wolfram Bergers Schreibtisch klingelte. Es war nur ein kurzer Wortwechsel, bis sich das Gesicht des Hauptkommissars verfinsterte, er sich knapp für die Information bedankte und auflegte.
    „Der Pflegedienst von Ingo Mangold hat ihn tot in seinem Bett gefunden. Überdosis Morphium.“
    „Verdammt.“ Seine Kollegin atmete tief aus und ließ die Handtasche, die sie gerade vom Stuhl genommen hatte, auf den Tisch sinken. „Wir sind zu langsam.“
    Eine Polizeipsychologin versuchte Sara Mangold in ihrem Zimmer zu beruhigen. Das Mädchen hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten und war, selbst nach der Beruhigungsspritze, die ihr die Sanitätsärztin verabreicht hatte, noch immer vollkommen außer sich. Ab und an drangen laute Schluchzer und Weinen in das Zimmer, in dem Gerichtsmediziner und die Spurensicherung ihre Arbeit verrichteten.
    „Und die Überdosierung kann kein Versehen gewesen sein?“ Berger hatte sich mit der Krankenschwester des Pflegedienstes in die Küche zurückgezogen.
    Hiltrud Meisner, eine sportlich wirkende Mittdreißigerin, schüttelte den Kopf. „Ausgeschlossen. Herr Mangold kannte seine Medikation genau. Wenn er die Wirkung hätte verstärken wollen, hätte er zusätzlich ein anderes Mittel genommen und auf mich gewartet. Man muss eine Erhöhung, und ist sie noch so leicht, genau abstimmen. Morphium wirkt nur gut, wenn es regelmäßig im richtigen Rhythmus verabreicht wird. Jeder, der Krebs im Endstadium hat, weiß das. Außerdem ist es ungewöhnlich, dass er so viel hier hatte. Man bekommt die Infusionen wöchentlich verschrieben, oft bringen wir sie mit oder holen sie für unsere Patienten aus der Apotheke. Er muss das Zeug gehortet haben.“
    „Wann wäre er denn wohl gestorben, wenn niemand nachgeholfen hätte?“
    „Schwer zu sagen. Ein paar Wochen, vielleicht zwei Monate.“
    „Hat er jemals über Selbstmord mit Ihnen gesprochen?“
    „Wir sind im Schnitt eine halbe Stunde täglich bei einem Patienten und wechseln oft die Schichten. Das reicht in aller Regel nicht, um mit jemandem über Leben und Sterben zu reden. Wir sind froh, wenn wir die Leute versorgen können. Psychologische Betreuung können wir nicht leisten.“
    „Also: nein?“
    „Nein. Er hat nie von Selbstmord gesprochen. Aber er war der typische Kranke, der …“, sie brach ab.
    „Der was?“
    „Das klingt jetzt vielleicht komisch. Aber es gibt Kämpfer unter den Todkranken und welche, die ganz schnell aufgeben. Solche, die noch an ihre Familie denken und versuchen, es den anderen nicht allzu schwer zu machen. Und solche, die sich nur noch bemitleiden und gehen lassen. So war Herr Mangold. Er wollte schon lange nicht mehr leben, und wenn Sie mich fragen, waren ihm die anderen auch schon ziemlich egal.“
    „Wie lange haben Sie ihn denn schon gepflegt?“
    „Der Dienst kommt seit zweieinhalb Monaten, ich selbst bin hier seit sechs Wochen eingeteilt.“
    „Wie war denn das Verhältnis zwischen Herrn Mangold und seiner Frau und seinen Kindern?“
    Die Krankenschwester überlegte einen Moment.
    „Ich glaube nicht, dass er überhaupt noch zu Beziehungen in der Lage war. Im Grunde war er schon lange auf der anderen Seite, nur sein Körper wehrte sich noch. Aber er konnte auch nicht loslassen. Es schien noch etwas zu geben, das ihn hier hält.“
    „Zum Beispiel?“
    „Angst? Hoffnung? Schuld? Es sind oft die großen Empfindungen, die an Sterbenden festhalten und sie nicht gehen lassen.“
    Berger sah die Frau von der Seite an. „Machen Sie das schon lange?“
    „Was?“
    „Sterbebegleitung.“
    „Ich habe mir das nicht ausgesucht. Das ergibt sich so.“ Sie hatte etwas schroff geantwortet und lächelte nun ein wenig versöhnlich. „Aber ich mache es auch gern. Es ist eine sehr persönliche Erfahrung und man lernt dabei viel. Über die anderen und über sich.“
    Gerade als der Hauptkommissar weiterfragen wollte, sah er, wie Inge Nowak ihm durch die geöffnete

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