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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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haben wir die Formel zu einer Perfektion gebracht, die alle von Galiani geweckten Begierden stillt. Wir müssen sie nur noch launchen, und zwar in genau dem Augenblick, in dem die Gier danach so groß geworden ist, dass unsere Server heißlaufen, wenn wir verkünden, Tod sei die Antwort auf die Systemkrise der westlichen Welt.«
    »Klingt nach einer sehr guten Marketingstrategie«, räumte Samyia Prakesh ein. »Aber was bringen Toggle heißlaufende Server? Außer Kosten?«
    »Darauf gibt es zwei Antworten«, entgegnete der Mann. »Die erste lautet: Traffic. Also Geld. Wenn Toggle einen Service anbietet, der die Menschen aus der Machtlosigkeit ihres derzeitigen Wählerdaseins erlöst, dann wird uns das sehr, sehr viele Kunden zuführen. Ihr wisst, im Werbegeschäft bedeutet jeder Kunde einen kleinen gedeckten Scheck, allein durch seine Existenz.« Er hielt einen Moment inne. Jetzt kam es darauf an, die richtigen Worte zu finden. »Die zweite Antwort ist grundlegender: Toggle hat nicht das Ziel, alles zu Geld zu machen. Unser Ziel ist es, die Welt zu verändern, und Geld brauchen wir nur, um diese Weltveränderung zu bezahlen. There is no such thing as a free lunch, wie Milton Friedman sagt.«
    Die Programmierer schwiegen.
    Wer bei Toggle arbeitete, war im tiefsten Herzen Idealist. Jeder Anwesende hatte eine eigene Vision einer besseren Welt. Der Österreicher machte den Anfang: »Alle Macht der Solarpower«, schnaubte er, schwer atmend. »Lässt sich das auch mit der Formel erreichen?« – »Kostengünstige Trinkwasseraufbereitung«, erklang es weiter. »Geburtenkontrolle!« – »Frieden im Nahen Osten!« – »Aidsprävention!«
    »Zum Beispiel«, sagte der Mann erleichtert. Auch ohne Melissa würde die Gruppe mitziehen, dessen war er nun sicher. »Es gibt viele drängende Probleme. Mit der Kraft einer Formel, die festgefahrene Mehrheitsverhältnisse zum Tanzen bringt, lassen sie sich alle lösen.Doch bis dahin ist es leider noch ein langer Weg. Wir besitzen weder das Originalbuch noch eine unbeschädigte Scandatei davon. Um die Wahrheit zu sagen: Der Text bricht lange vor der entscheidenden Stelle ab. Zu früh, um irgendjemanden damit anzufixen.«
    Auf Samyia Prakeshs Monitor erschien plötzlich das Vorschaubild einer eingehenden E-Mail. In Miniaturschrift spiegelte es den Beginn der Nachricht ein: Doch Fake- ID ! Erstaunt nahm die Inderin Steve als Absender zur Kenntnis. Warum schickte ihr der Operator eine Mail? Richtig, alle IRC – Nachrichten wurden vom Unbekannten mitgelesen! Steve musste das gemerkt haben, denn nun kamen weitere Mails, die alle so formatiert waren, dass man sie schon in der Vorschauminiatur entziffern konnte. Der Typ kommt von aussen! IP – Nummer raffiniert getarnt! Kein Toggle-Mann! klemme ihn jetzt ab!
    »Wir müssen uns etwas anderes überlegen, eine ebenbürtige Marketingstrategie«, mahnte LogOut alias Professor Alexandre Ranchin. »Das Zeitalter der Obrigkeitsstaaten ist vorbei. Das hat man 1789 zwar schon einmal geglaubt, aber jetzt stimmt es wirklich.«
    In Valley Hills hörte niemand mehr seine Worte.

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   INTERMEZZO Paris
Dienstag, 27.   Dezember 1768
    Die Uhr ging auf acht, und in der Rue Fromenteau wurden die Kandelaber entzündet. Madame d’Epinay richtete strenge Worte an ihre sechs eigenen und die zwölf gemieteten Dienstboten, sich größter Unterwürfigkeit gegenüber allen Gästen des Abends zu befleißigen – sie betonte das Wort allen  … da sich neben bekannten Namen des Hochadels auch einige unbekannte befänden, denen möglicherweise ein noch höherer Rang zugestanden werden müsse. Sie betonte noch höherer . Deutlicher konnte sie nicht werden, da auch sie kaum mehr als eine zarte Andeutung ihres Galans vernommen hatte, wie illuster die versammelte Runde ausfallen werde. Zweifellos aber bot der Abend die Chance, den ohnehin glänzenden Ruf der Madamed’Epinay in der Pariser Gesellschaft noch weiter aufzupolieren. Nicht, dass sie hinter den Salons anderer Pariser Kurtisanen zurückzustehen gehabt hätte, doch ihr Galan war nun mal weder Mitglied des Hofstaats noch Angehöriger des Amtsadels, sondern ein neapolitanischer Diplomat, dessen Vermögen aus Witz und Geist statt aus vornehmer Tradition und ausgedehnten Landgütern bestand.
    »Weißt du noch, was Madame Necker über dich gesagt hat, als sie dich zum ersten Mal in natura erlebte?«, wandte sich Luise Florence Petronelle d’Epinay an den kleinen Mann, der gerade den Salon betreten

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