Toggle
organisiert. Früher wurde das öffentliche Bild des Präsidenten von Zeitungen und Fernsehen bestimmt. Diese Epoche ist zu Ende. Bald wird Ihr Image nur noch von den Links abhängen, die Toggle bei einer Suchanfrage auswirft. Es wäre eine Katastrophe, die Hoheit über diese Fundstellen zu verlieren. Denken Sie an Clinton mit seinen Frauengeschichten! Wir müssen Toggle nahe am Staat halten, Toggle bestimmt die Realitätswahrnehmung der Wähler.«
Es war 3.30 Uhr am Morgen, und der Präsident spürte den schlechten Geschmack aller Schläfer im Mund. Er war ein sterblicher Mensch, der Fehlentscheidungen traf, wenn man ihn reizte oder auf dem falschen Fuß erwischte. Aber genau dies, der schlechte Geschmack der Normalsterblichkeit, erinnerte ihn daran, dass es eines ungeheuren Mutes bedurfte, ihn mitten in der Nacht wecken zu lassen. Wer dies wagte, musste sich seiner Sache sehr sicher sein.
»Okay«, sagte er langsam. »Ich sehe trotzdem nicht, warum das nicht fünf gottverdammte Stunden Zeit gehabt hätte!«
Der stellvertretende CIA – Direktor schwieg. Dann nahm seine Stimme einen triumphalen Klang an: »Uns liegen die zehn Aufgaben vor«, sagte er. »17 Stunden Vorsprung für die brillantesten Analysten unserer Geheimdienste. 17 Stunden vor den anderen hellen Köpfen der Welt. Leider wird nicht mal Al Kaida von Dummköpfen angeführt. Darf ich unsere Leute aus den Betten holen, Sir?«
Der Angesprochene nickte. Das hätte sich auch ohne präsidiale Zustimmung anordnen lassen. Schließlich waren Agenten nicht an Bürozeiten gebunden.
»Dann sollen sie jetzt ihre Finger blutig toggeln.« Der CIA – Mann strahlte. Es war immer das Beste, den eigenen Entscheidungsbereich frei von Verantwortung zu halten.
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88
Hamburg
Montag, 3. August, 9 : 45
In Hamburg hatte Janek Jabłoński die gesamte Belegschaft in die Davidswache gelockt, den größten Tagungsraum der Filiale. Nur Nikolaus Holzwanger war in seinem Büro geblieben. Er konnte sich zur Beteiligung an Pimp my Pot einfach nicht durchringen.
Ein Videobeamer projizierte die Oberfläche eines Computermonitors auf eine große Leinwand. Janek Jabłoński sprühte vor Begeisterung: »Hey, eure Melissa war ein schlaues Mädchen, schade, dass sie die Biege gemacht hat … aber egal, wir haben ja genug Daten von ihr. Daten sind die besseren Menschen. Wir bringen die Welt zum Tanzen, und ihr seid alle dabei! Passt auf!«
Auf der Leinwand erschien eine lange Namensliste. Hinter jedem Namen stand eine Zahl.
»Das seid ihr. Fehlt einer? Nein. Was seid ihr? Ein Haufen Zahlen. Gute Zahlen, schlechte Zahlen! Ich habe meinen großen Datensauger angestellt und alles zusammengesaugt, was ich über euch finden konnte. Hat jeder von euch eine Krankenversicherung? Ja! Rentenversicherungsnummer? Ja! Girokonto mit Überziehungsrahmen? Ja! Steuernummer? Führerschein, ein Punktekonto in Flensburg? ADAC – Mitgliedschaft, Payback-Karte, Mailkonten, Myface-Account? Ja, ja, ja!«
Jabłoński wählte einen beliebigen Namen aus und klickte ihn an. Ein Geflecht aus Buchstaben und Zahlen füllte die Leinwand. Mit der Maus markierte der Pole einen kurzen Abschnitt: Abortus 1-04, 12-05, 3-09, 9-09.
»Das finde ich nicht gut«, sagte er tadelnd. »Seht ihr das? Vier Abtreibungen in fünf Jahren. Wer macht denn so was? Das ist scheiße! Wer von euch heißt Klaudia Schneiderhahn? Wer?«
Im Auditorium wurde ein unterdrücktes Stöhnen laut.
»Hey, Datenschutz ist tot, findet euch damit ab!«, rief Kingfish in den Raum. »Doch ihr kriegt auch was dafür. Aufmerksamkeit wie früher nur die Könige. Das Auge Gottes ruht auf euch! Aber ich bin ein gütiger Gott. Ermordet eure Ungeborenen doch, wie ihr wollt, bitches , dann verkohlt ihr eben im Fegefeuer. Eure Sache.«
Er sah wütend aus. Dann grinste er wieder, als hätte er nur einen Witz gemacht.
»Was seid ihr wert?«, fragte er in die Menge. »Jeder Einzelne von euch? Wisst ihr nicht? Ich verrate euch, was ihr in den Augen des Staates wert seid: nichts! Blödes Stimmvieh seid ihr, das alle paar Jahre mal einen Zettel in die Wahlurne einwerfen darf. Wisst ihr, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eure Stimme eine Wahl entscheidet? Na? Ich sag nur: Lottomillionär werdet ihr schneller!«
»Aber doch nicht bei Pimp my pot «, protestierte eine männliche Stimme. »Da sind wir doch nur 160 Leute.«
»Okay, da nicht. Macht es also wie gewohnt, schreibt den Namen eures Favoriten auf einen Zettel, zählt die Zettel
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