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Anna-Katharina an das Gebäude heran. Irgendwo fernab von ihr erschnüffelte Jackie in wilden Zickzackbahnen die Fußspuren der nächtlichen Besucher. Jetzt stand sie vor dem Rolltor. Eine mannshohe Wand aus Bücherkisten, ganz vorn in der Halle, versprach Deckung. Sie schlüpfte hinein.
Keine gute Idee.
Die ersten Männer waren mit der Maschinenverladung fertig und langweilten sich. Unschlüssig vertraten sie sich die Füße. Einer deutete auf den Kistenstapel. Ein anderer nickte. Zu viert kamen sie auf den Stapel zu.
Draußen fing Jackie an zu kläffen.
Für einen Moment waren die Männer abgelenkt. Ohne sich umzusehen, rannte das Mädchen aus der Halle hinaus. Kaltes Flutlicht streifte seinen Körper. Jemand rief etwas hinter ihm her. Es klang eher lustlos als wütend.
Anna-Katharina rannte übers Brachland in die schützende Dunkelheit hinein, bis sie wieder das dichte Unterholz erreicht hatte. Dort hielt sie schwer atmend an. Nach einer Weile hörte sie ein leises Hecheln neben sich und spürte die feuchte Nase des Terriers an ihrer Wade. »Gut gemacht, Jackie«, murmelte sie. »Hast du gesehen, was die bösen Männer tun? Sie nehmen uns all unsere Bücher weg!«
Nach einer halben Stunde war die Lagerhalle leergeräumt. Mit dröhnenden Motoren fuhr die LKW – Kolonne ab. Das Einzige, was noch an Anton Purglers dreimonatigen Aufenthalt erinnerte, war ein Blutfleck am Boden.
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11
Berlin
Donnerstag, 8. Juli, 0 : 30
»Hört, hört«, sagte der Polizist mit dem Namen Hubert, während er versuchte, hinter der Wasserwand des Gewitterregens andere Verkehrsteilnehmer auszumachen. »Eine goldene S-Klasse!«
»Der reinste Fluch. Jedenfalls für einen Kriminellen«, fügte der zweite Streifenbeamte an.
»Geschmacklich gesehen ist jede Goldlackierung kriminell«, kommentierte der erste.
Soeben war per Funk eine Fahndung durchgegeben worden. Im Kofferraum des Mercedes sollten sich fünf Kisten wertvoller alterBücher befinden. Das zumindest besagte die Anzeige, die in der Zentrale eingegangen war.
»Du hast doch ein ziemlich gutes Gedächtnis, Hubert«, meinte der zweite Polizist.
»Klar«, nickte Hubert. »Der Kerl wohnt in Schöneberg, Belziger Straße, über dem Narkosestübchen . Würde mich nicht wundern, wenn der blöd genug war, vor dem Haus zu parken.«
Unruhig warf sich Anton Purgler im Bett hin und her. Seit zwei Stunden pochte seine Wunde. Purgler verstand nicht viel von Medizin, aber er wusste, dass Pochen kein gutes Zeichen war. Pochen bedeutete Entzündung. Oder Blutvergiftung. Jedenfalls etwas, das man besser nicht bekam. Die Mittel seiner reich sortierten Hausapotheke hatten alle nicht angeschlagen. Jedenfalls nicht diejenigen, die er sich zu schlucken getraut hatte. Der überwiegende Rest war ihm zu heiß. Er selbst nahm nie etwas davon, er handelte nur damit.
Sollte er zur Notaufnahme ins Urban-Krankenhaus fahren? Aber dort würde man Fragen stellen. Fragen wie: »War das ein Arbeitsunfall? Wie heißt Ihr Arbeitgeber? Schildern Sie den Hergang des Unfalls.«
Das kam nicht gut.
Die Schmerzen kamen aber auch nicht gut.
Er quälte sich aus dem Bett heraus und begann, sich unter Mühen anzuziehen. Die rechte Hand reckte er dabei starr in die Höhe. Bloß keinen Kontakt zu irgendwas! Mittlerweile schien es ihm so, als täten schon Berührungen an den intakten Fingern weh. Die Kleidung bewältigte er gerade noch, doch an den Schuhen scheiterte er. Fluchend kickte er seine ausgelatschten Converse unters Bett, stolperte zum Kleiderschrank und griff mit der linken Hand hinein. Irgendwo mussten doch diese idiotischen, grellgrünen Flipflops sein!
Endlich fand er eine Plastiktüte mit klamm riechenden Badesachen und angelte die Flipflops heraus. Ohne Strümpfe schlüpfte er hinein.
Draußen kübelte es wie aus Eimern.
Wasser war das Letzte, was seine Wunde jetzt brauchen konnte.Purgler schob die malträtierte Hand unters T-Shirt, konnte dabei nicht jede Berührung vermeiden und jaulte auf. Als er sein Auto erreichte, war er klatschnass von Regen und Schweiß, und der Schweiß jagte ihm Angst ein: Hatte er schon Wundfieber? Japsend ließ er sich in den Sitz fallen. Die alte Karre besaß nicht mal ein Navi. Wie zum Teufel fand er nun den schnellsten Weg zur Notaufnahme des Urban?
Jemand klopfte an die Scheibe.
Purgler stieß die Tür mit dem Fuß auf. »Lassen Sie mich in Ruhe!«, schrie er in den Regen hinaus. »Ich muss ins Krankenhaus!«
»Nu mal halblang«, sagte der
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