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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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wieder im Dorf zurück.
    Am Nachthimmel schoben sich Gewitterwolken zu einer dichten Front zusammen. Nur ein paar trübe Laternen aus DDR – Zeiten malten mit ihrem gelben Licht Anna-Katharinas Schatten auf den Asphalt. Jackie zerrte an seiner Leine und jaulte.
    »Ruhig«, sagte das Mädchen. »Ganz ruhig, ist doch niemand mehr wach.«
    Ein verwaschenes Brummen von LKW – Motoren wehte durch die Dunkelheit. Wenn der Wind ungünstig stand, gewann man im Dorf den Eindruck, die Autobahn verliefe direkt hinter den Häusern. In Wahrheit lag noch ein halber Kilometer Wald dazwischen. Heutekamen die Geräusche allerdings aus der Nähe, denn der auffrischende Wind wehte vom Dorf weg in Richtung Autobahn.
    Sieben LKW , der erste mit aufgeblendetem Fernlicht, bogen in die Pernitzer Straße zum Gewerbegebiet ein. Instinktiv schlug sich Anna-Katharina ins Unterholz. Dann nahm sie eine Abkürzung über verwildertes Brachland und bezog Stellung oberhalb der Lagerhalle. Ein Wagen nach dem anderen bog auf den Parkplatz ein.
    Jackie jaulte wieder.
    Sie ärgerte sich, den Hund mitgenommen zu haben, ging in die Hocke und presste ihn fest an sich. Andererseits hatte sie nicht ahnen können, dass die Geschichte vom Nachmittag kein Ende fand. Eigentlich hatte sie nur ein paar Details für ihr Tagebuch überprüfen wollen.
    Sie war eine sehr genaue Chronistin.
    Jetzt traten neue Details hinzu. Jeder LKW spuckte drei Männer aus, die die Türen der Kofferaufbauten öffneten und die hydraulischen Ladebühnen herunterfuhren. Fast geräuschlos rollte ein dunkler PKW auf den Parkplatz. Es war eine teure Limousine, doch Anna-Katharina kannte sich zu schlecht mit Autos aus, um die Marke zuordnen zu können. Der Mann, der ihr entstieg, war weitaus kleiner und schmächtiger als die LKW – Besatzungen und trug einen dunklen Anzug. Mit der linken Hand – in der rechten glühte eine Zigarette – winkte er einen Fahrer herbei, dem er etwas übergab. Dann setzte er sich wieder in seine Limousine und fuhr ab. Jetzt entdeckte Anna-Katharina das gelbe Nummernschild an seinem Wagen.
    Ein Brite? Oder ein Franzose? Ein Holländer?
    Doch auch mit Nummernschildern kannte sich das Mädchen nicht gut aus.
    Nun verschwand jener LKW – Fahrer, dem der schmächtige Mann anscheinend einen Schlüssel übergeben hatte, im Inneren des Gebäudes. Wenige Sekunden später ratterte das Rolltor an der Stirnseite hoch. Die restlichen Männer schlüpften hinein.
    Anna-Katharina hatte am Nachmittag die Maschinen nicht völlig verstanden. Sie sahen wie Fabrikroboter aus, klangen aber wie Staubsauger und verrichteten eine ähnliche Tätigkeit. Kaum warendie Bücher abgesaugt, warf man sie allerdings achtlos in eine Kiste, statt sie mit besonderer Umsicht zu behandeln.
    Warum? Und warum war damit jetzt Schluss?
    Denn die Männer trugen die Maschinen aus der Halle hinaus. Jeweils zu dritt luden sie sie auf die LKW und polsterten sie auf den Ladeflächen mit Schaumstoff und Wolldecken gegen Stöße ab.
    Anna-Katharina wurde es abwechselnd heiß und kalt.
    War sie an der Demontage schuld? Sie beschwor die Erinnerung an den Nachmittag herauf. Da war dieser Mann gewesen, der das kostbare alte Buch zerstören wollte. Als er sich zu ihr umdrehte, blutete er. Er blutete heftig, weil sich das Buch gegen ihn zur Wehr gesetzt hatte. Dann wurde es gefährlich. Mit gezücktem Dolch stürzte er sich auf sie, sie sprang beiseite, schob flink eine der Bücherkisten in seinen Lauf –
    Doch das war gar nicht mehr nötig.
    Mit dem Geräusch wie entweichende Luft aus einem undichten Schlauchboot sackte der Mann in sich zusammen. Sein Dolch klirrte zu Boden und rutschte unter eine der Maschinen. Jetzt sah sie, dass er sich damit die ganze Handfläche aufgeschlitzt hatte.
    Ein Schwächling, der vor dem eigenen Schmerz zu Boden ging!
    Natürlich hätte sie das köstlich nach Leder duftende Buch niemals mitnehmen dürfen. Aber sie musste es tun. Sie hatte es vor dem Mann retten müssen, der es endgültig zerfetzt hätte, wäre es ihm noch einmal in die Hände gefallen. Sie hatte den Hass in seinen Augen gesehen. Es war kein Hass auf Menschen, es war ein Hass auf Gegenstände. Manchmal, wenn ihr Vater mit verrotteten Installationen in alten Häusern zu kämpfen hatte, loderte dieser Hass auch bei ihm auf. Er fing dann an zu schreien und riss besinnungslos die schadhaften Leitungen aus der Wand.
    Ein Buch war aber kein toter Gegenstand.
    Ein Buch enthielt Leben.
    Vorsichtig pirschte sich

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