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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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    Diese Mitfahrgelegenheit schien sich zu seinem zweiten Fehler am heutigen Tag auszuwachsen.

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    41
   Mellau (Kinderclub)
Dienstag, 27.   Juli, 14   :   20
    Olga irrte durch die endlosen Gänge des Schlosshotels. Der Kinder-Spa stand leer, und in den Wellnessbereich der Erwachsenen kam sie nicht hinein. Falls sich ihre Mutter dorthin zurückgezogen hatte, konnte Olga sie nicht erreichen. Der Konferenzsaal schied aus, denn nach der Störung vom Vortag hatte ihr der Vater ausdrücklich verboten, sich auch nur dem Flur vor dem Saal zu nähern. Im Teesalon saßen ein paar ältere Damen, die angesichts des kleinen Schauers ihre Wanderpläne voreilig aufgegeben hatten und nun nicht mehr von ihrer Bridgepartie loskamen.
    Olga trat auf die Terrasse hinaus, überquerte den Rasen und umrundete den Gewittersteinflügel. Auf der Rückseite befand sich der Eingang zum Kinderclub. Vielleicht sah ihre Mutter ja gerade nach den Zwillingen? Doch der Club stand leer. Nur ein Hausdiener wuchtete gerade eine rußgeschwärzte Truhe von einem der Wagen, mit denen man sonst Koffer durchs Haus beförderte.
    »Kommst gerade richtig«, sagte der Mann in bayrischem Dialekt. »Gleich gibt’s eine Schatzsuche für euch. Ihr dürft alte Bücher aus der Kiste räumen. Goldmünzen und Totenschädel müsst ihr freilich abgeben, wenn ihr sie findet.«
    Witzige Erwachsene waren schlimmer als das Nachmittagsfernsehen von RTL .
    »Äh, ist doch schmutzig!«, machte Olga. »Nee wirklich nicht, danke! Fragen Sie meine Brüder. Die lieben Dreck.«
    Sie drehte auf dem Absatz um, lief durch die unteren Gänge des Schlosses zurück, am Weinkeller und Feinschmeckerrestaurant vorbei. Dann stieg sie doch das Treppenhaus zum Tanzsaal hoch. Verbote galten nur, solange nichts passierte, sprach sie sich selbst Mut zu. Vorsichtig schob Olga die Tür einen Spalt weit auf. Auf dem Podium redete der Cousin von Mama.
    »Habe ich eben behauptet, Wikileaks sei gegen staatliche Geheimnisse? Das war eine grobe Verkürzung. Noch bezieht sich die Transparenzwut dieser Robin Hoods nur auf Regierungen und Konzerne, und ich sehe an Ihren leuchtenden Augen, dass auch Sie das gut finden! Wer wüsste nicht gern, was die Versicherungen alles speichern? Welche Absprachen Industrieunternehmen mit der Regierung treffen? Wie Banken tricksen und betrügen? Aber der digitale Schatten ist kein Haustier. Er ist ein Dämon: Er beherrscht uns, nicht wir ihn. Um das zu begreifen, hilft uns ein Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor, es gäbe einen Computervirus, der Ihre E-Mails liest. Er liest sie aber nicht nur, er liest sie aus und stellt sie ins Internet. Das gesamte Backup Ihrer Korrespondenz! Wenn nun jemand Sie im Internet toggelt, stößt er auf Ihre persönlichsten Äußerungen. Das gilt natürlich auch für Tagebücher, die Sie unvorsichtigerweise am Computer führen, ja für alles, was Sie je digitalisiert haben. Und leider ist das kein Gedankenexperiment. Einer meiner Studenten hat diesen Virus als Seminararbeit projektiert. Er bekam eine Eins dafür – im Austausch für die Zusicherung, ihn niemals zu programmieren. Was meinen Sie, wie lange solche Zusicherungen bei jungen Menschen halten?«
    Olga hatte vergebens auf eine Lücke im Redefluss gewartet, nun quälte sie unstillbarer Hunger nach Kuchen. Warum kümmerte sich Joshi eigentlich nicht selbst um die Verbreitung seiner Katastrophennachricht?
    Trotzig verließ sie den Tanzsaal wieder. Weil sie die rechte Treppe hinunter zur Lobby benutzte, während ihr kleiner Bruder die linke hinaufstieg, sah keiner der beiden den anderen.

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   Mellau (Forstweg)
Dienstag, 27.   Juli, 14   :   30
    »Für welche Stufe der Vernichtung haben Sie sich entschieden?«, fragte Urs-Albert Flüeli rhetorisch.
    Axel Jünger schwieg.
    »Und woher speist sich Ihr Zorn gegen Toggle?«, fuhr der Schweizer fort. »Ihr Auftritt war ja fulminant.«
    »Rein professionelle Skepsis«, antwortete Jünger.
    »Ach, kommen Sie! Sie gingen da rein wie ein Ninjafighter! Das macht man nicht nur so aus Routine.«
    »Manchmal wissen Journalisten eben mehr als Normalsterbliche. Dann können wir unsere Gefühle nicht im Zaum halten.«
    Um anschließend die Karriere darauf aufzubauen, dass man die Karrieren anderer zerstörte, dachte der Ex-Diplomat. Aus einem einzigen persönlichen Grund: Eitelkeit.
    »Wann werden wir Normalsterbliche es wissen?«
    »Gute Frage … wenn es die Süddeutsche bringt?«
    »Sie überlassen den Coup der

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