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Titel: Toggle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Felix Weyh
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Konkurrenz? Das glaube ich nicht!«
    Axel Jünger sah wieder Licht am Horizont. »Vorschlag«, antwortete er, eine Spur selbstbewusster. »Sie unterlassen Ihre Einschüchterungsversuche, und ich deute Ihnen an, was ich recherchiert habe.«
    »Deal«, erklang es vom Fahrersitz. Sicherheitshalber schob Axel Jünger seine rechte Hand nach vorne, damit sein Geschäftspartner einschlagen konnte.
    Flüeli konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Eitelkeit! Eitelkeit machte Journalisten zu kompletten Idioten. Er musste überhaupt nicht mehr wissen, welch kümmerliche Fakten der FAZ – Mann recherchiert hatte. Durch den präparierten USB – Stick hatte Fünfgelds Neffe längst alles herausgefunden. Eitelkeit! Am liebsten hätte er verächtlich ausgespuckt. Aber so etwas tat man in einem Bentley nicht.
    Jünger begann zu reden: »Ich glaube, Toggle will wirklich mit Myface anbändeln. In der Öffentlichkeit tut man so, als würde man sich hassen, aber hinter den Kulissen wird ein Bündnis geschmiedet.«
    »Und wozu?«
    »Wozu?« Axel Jünger klang ungläubig. »Wozu wohl! Ein Internetmonopol. Digitaler Imperialismus!«
    »Haben Sie schon im Saal erwähnt«, sagte Flüeli gelangweilt. »Wie soll der aussehen?«
    »Weiß ich noch nicht. Aber es wird schlimm werden.«
    »Und woher stammt Ihr Wissen?«
    »Informantenschutz ist mir heilig!« Jüngers Stimme hatte etwas Zurechtweisendes.
    »Mhm«, brummte Flüeli.
    »Allerdings wird mir immer klarer, dass es weitere Facetten der Verschwörung gibt«, fuhr Jünger mutwillig fort. »Ihr Fünfgeld hängt doch auch mit drin! Sonst würden Sie sich nicht so exponieren.«
    Der Journalist fühlte sich ungeheuer wichtig. Er war die vierte Gewalt. Hinter ihm stand ein mächtiges Verlagshaus.
    Flüeli seufzte. Mit einem Ruck brachte er den Bentley zum Stehen. »Sergej«, sagte er bedauernd, »der Herr hat meine Rede über die drei Stufen der Vernichtung nicht richtig verstanden. Würdest du sie bitte noch einmal wiederholen?«
    Der Ukrainer nickte, griff in die Hosentasche und zog einen silbernen Gegenstand heraus.

[Menü]
    43
   Mellau (Tanzsaal)
Dienstag, 27.   Juli, 14   :   40
    Joshi bemühte sich um Auffälligkeit, als er geräuschvoll die Tür zum Tanzsaal öffnete. Doch niemand drehte den Kopf nach ihm um. Alle starrten nach vorne, wo ein Mann redete, den er Onkel nannte, obwohl es gar kein ganz richtiger Onkel war. Eher ein Patenonkel oder ein Nebenonkel oder ein Onkel vom Onkel von Mama. Trotzdem konnte man den ruhig unterbrechen.
    Der Fünfjährige stellte sich auf die Zehenspitzen. Doch er reichte nicht über die Stuhlreihen hinweg.
    »Lassen Sie mich meine Anmerkungen noch einmal zusammenfassen«, sagte Professor Joachim Sterzel. »Wir sind sterbliche Menschen, doch entstehen von uns unsterbliche Datenprofile. Niemand kennt diese Profile. Keiner – auch nicht der engagierteste Datenschützer! – kann im Mindesten wissen, was alles über ihn verzeichnet steht, wer etwas von ihm gesammelt hat, von wem er in Datenbanken, schwarze Listen aufgenommen wurde, wer ihn anonym und wer ihn personalisiert in seiner EDV abgespeichert hat. Das nenne ich den digitalen Schatten. Er umhüllt uns alle wie ein Kokon, und er wächst schneller, als wir die Löschtaste drücken können. Ja, er bleibt über unseren Tod hinaus bestehen und eines Tages …«
    Joshi sah einen leeren Stuhl in der letzten Reihe, kletterte darauf und stampfte mit seinen kleinen Füßen auf. Wegen seiner Barfüßigkeit blieb der Effekt bescheiden.
    »… eines nicht mehr allzu fernen Tages könnte uns der digitale Schatten beherrschen. Dann nehmen uns maschinell gespeicherte Datenwolken alle Entscheidungen ab, die heute noch von menschlichen Politikern, Verwaltungsbeamten oder Richtern getroffen werden. Kann Wikileaks die richtige Antwort sein? Nein. Denn Wikileaks ist ein Teil des Schattens, und niemand weiß, in welchem Interesse diese Organisation handelt.«
    »Da liegt ’ne tote Frau im Bach, und mein Papa kennt die!«, rief Joshi, so laut er konnte.
    Beim dritten Mal reagierten die Erwachsenen endlich.

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    44
   INTERMEZZO Neapel
Dienstag, 17.   März 1759
    Vor dem Eingangsportal der neapolitanischen Stadtvilla gegenüber dem Palazzo Como warteten sechs Truhen aus Leder mit Eisenbeschlägen auf ihren Abtransport zum Hafen. Die Verwendung einer siebten Truhe, die noch leer im Hof stand, war mit dem Kapitän des Genueser Gaffelschoners Simone Boccanegra noch nicht abschließend geklärt, wobei sich

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