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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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bei Irren konnte man nie wissen. Was sie taten, war einfach unvorhersehbar. Es gab, bemerkte er jetzt, auch in Miss Hazelstones Verhalten Symptome von Wahnwitz und Unberechenbarkeit und Zeichen dafür, daß sie sich auf eine Art benehmen könne, die weder nett noch vornehm wäre. »Nun, nun, liebe Miss Hazelstone. In gewisse Dinge müssen wir uns zu schicken lernen«, sagte er beruhigend, und während er das sagte, war Miss Hazelstone nur eines völlig klar, daß nämlich nichts auf Gottes Erdboden sie dazu bringen werde, in der Reichweite dieses schwitzenden Polizisten zu bleiben, der dachte, der Teufel persönlich liege sternhagelblau und über und über mit Blut beschmiert oben im rosageblümten Schlafzimmer. Es gebe ja vielleicht, räumte sie großzügig ein, gewisse irrationale Züge in ihrem eigenen Seelenleben, aber sie waren nichts gegen die unübersehbaren Zeichen von Irrsinn, die der Kommandant an den Tag legte. Bleich und unverständliches Zeug lallend, sprang sie in einem Satz von ihm zurück, riß einen dekorativen Krummsäbel von der Wand und hielt ihn mit beiden Händen über ihren alten grauhaarigen Schädel. Kommandant van Heerden war völlig platt. Eben noch hatte er vor einer reizenden alten Dame gestanden, die seine Hände in ihre nahm und ihm sanft ins Auge blickte, und im nächsten Moment war sie ein tanzender Derwisch und offenkundig darauf versessen, ihn mit einem fürchterlichen Messer mitten durchzusäbeln.
    »Nun, nun«, sagte er, außerstande, seine Ausdrucksweise seiner neuen, schrecklichen Lage anzupassen. Eine Sekunde später war klar, daß Miss Hazelstone sein »Nun, nun« als Hinweis darauf verstanden hatte, daß er den Tod sofort wünsche. Wie ein Krebs kam sie auf ihn zu. In Wirklichkeit versuchte Miss Hazelstone zur Tür zu gelangen, die in die Halle führte. »Aus dem Weg«, befahl sie, und der Kommandant, ängstlich bemüht, ihr nicht den leisesten Vorwand zu liefern, ihn mit dem Krummschwert in der Mitte durchzuspalten, sprang zur Seite, wo er mit einer großen chinesischen Vase zusammenprallte, die von ihrem Podest kippte und auf den Boden krachte. Eine Sekunde lang zeigte Miss Hazelstones Gesichtsausdruck jene Fähigkeit, sich rasch zu verändern, die der Kommandant eben schon mal wahrgenommen hatte. Jetzt war sie zweifellos völlig außer sich vor Wut.
    »Die Ming! Die Ming!« kreischte sie und ließ den Krummsäbel von oben heruntersausen. Aber Kommandant van Heerden war nicht mehr an dieser Stelle. Die zerschmetterten Kunstschätze aus der jahrtausendealten chinesischen Geschichte hinter sich lassend, stürzte er quer durchs Zimmer. Während er über die Veranda fegte, hörte er Miss Hazelstone immer noch »Die Ming! Die Ming!« zu ihrem Bruder hochschreien, und da er meinte, die Ming sei eine unbeschreiblich fürchterliche Waffe, die griffbereit oben in der Galerie an der Wand hing, rannte der Kommandant wieder mal durch Jacaranda Park, diesmal aber in die Richtung des Tores, aus der das Getöse wiedererwachten Gewehrfeuers zu hören war, ein Getöse, das er als Zeichen ganz normaler und gesunder Gewalt willkommen hieß. Und wie er so rannte, dankte er seinem Glücksstern, daß die Dämmerung schon in Nacht überging, die den Weg seiner Flucht verdunkelte. Für Wachtmeister Els, der immer noch über die Auswirkungen seiner Schießkünste schmunzeln mußte, hatte es, als die Dämmerung sich über die zusammengeknäulten Tore des Parks zu senken begann, die ersten Anzeichen dafür gegeben, daß mehrere neue Faktoren in den kleinen Flecken westlicher Kultur eingriffen, den er so mannhaft verteidigte. Er hatte gerade einen kräftigen Schluck alten Nashornhaut-Brandy gekippt, um sich gegen die Nachtkühle zu schützen, als er draußen ein merkwürdiges Kratzen hörte. Zuerst dachte er, ein Stachelschwein schabe sich an der Panzertür des Bunkers, aber als er sie aufmachte, war nichts zu sehen, während die Geräusche immer näher kamen. Sie schienen aus einer Hecke unten an der Straße zu dringen, und er war gerade zu der Überzeugung gelangt, sie ließen sich nur dadurch erklären, daß ein Nashorn, das an Eiterflechte leide, sich zur Linderung von der Juckerei in einem Weißdorn siele, als er drei bemerkenswert flinke Pflanzengebilde über die Straße hoppeln sah. Offenbar sollte der nächste Angriff beginnen.
    Wachtmeister Els lehnte sich zurück und überdachte die Lage. Einen Angriff hatte er mit seinem Revolver zurückgeschlagen, einen zweiten mit der Elefantenbüchse

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