Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Yamaoto ihm Informationen zugespielt?»
«Natürlich. Soweit ich weiß, ist Mr. Holtzer besonders erfolgreich bei der Anwerbung von Spitzeln in Japan. Und als Dienststellenleiter in Tokio zeichnet er verantwortlich für gewisse brisante Geheimdienstberichte – vor allem über die Korruption in der japanischen Regierung, für die Yamaoto selbstverständlich ein ausgewiesener Experte ist.»
«Mein Gott, Tatsu, die Qualität deiner Informationen ist schon fast beängstigend.»
«Beängstigend ist, dass mir diese Informationen bisher nie viel genützt haben.»
«Weiß Holtzer, dass er manipuliert worden ist?»
Er zuckte die Achseln. «Zuerst dachte er, er hätte Yamaoto angeworben. Als er dann gemerkt hat, dass es umgekehrt war, was hätte er da machen sollen? Der CIA beichten, dass die von ihm angeworbenen Spitzel Doppelagenten waren, die Berichte allesamt erfunden? Das wäre das Ende seiner Karriere gewesen. Die Alternative war sehr viel angenehmer: für Yamaoto arbeiten, der ihm weiterhin die ‹Geheiminformationen› zuspielt, die Holtzer zum Star machen. Und Yamaoto hat seinen Maulwurf mitten in der CIA.»
Holtzer, ein Maulwurf, dachte ich angewidert. Ich hätte es wissen müssen.
«Holtzer hat mir erzählt, dass die CIA sich um Kawamura bemüht hat, dass Kawamura auf dem Weg zur CIA war, um die CD zu überbringen, als er starb.»
Er zuckte die Achseln. «Kawamura hat mich ausgetrickst. Vielleicht hat er auch die CIA ausgetrickst. Nicht mehr feststellbar und nicht mehr wichtig.»
«Was ist mit Bulfinch?», fragte ich. «Wie ist Holtzer an ihn rangekommen?»
«Natürlich, indem er ihn beschattet hat, bis du ihm die CD übergeben hast. Bulfinch war ein leichtes Ziel, Rain-san.» In seiner Stimme schwang ein vorwurfsvoller Unterton mit, der mir sagte, dass es ganz schön dumm von mir gewesen war, einem Zivilisten die CD zu geben.
Wieder gingen wir eine Weile schweigend. Dann sagte er: «Rain-san. Was hast du die ganze Zeit über in Japan gemacht? Seit wir uns zuletzt gesehen haben?»
Bei Tatsu wäre es ein Fehler, irgendetwas für Smalltalk zu halten. Irgendwo in meinem Hinterkopf ging eine kleine Alarmglocke los.
«Nichts Aufregendes», sagte ich. «Immer noch dieselbe Beratertätigkeit.»
«Worum ging es da noch mal?»
«Das weißt du doch. Ich helfe amerikanischen Firmen, ihre Produkte nach Japan zu importieren. Räume Steine aus dem Weg, suche die richtigen Ansprechpartner und so weiter.»
«Klingt interessant. Was sind das für Produkte?»
Tatsu hätte sich eigentlich denken können, dass meine Tarnung nicht durch ein paar simple Fragen geknackt werden konnte. Die Beraterfirma, die Kunden, alles ist echt, wenn auch nicht sonderlich beeindruckend.
«Guck dir doch mal meine Website an», schlug ich vor. «Da findest du ein umfangreiches Kunden-Verzeichnis.»
Er winkte mit einer «Sei nicht albern»-Geste ab. «Was ich wissen möchte, ist: Was hält dich noch in Japan? Wieso bist du noch hier?»
«Wieso ist dir das wichtig, Tatsu?»
«Ich verstehe es nicht. Ich würde es gern verstehen.»
Was sollte ich ihm sagen? Ich musste weiter Krieg führen. Ein Hai kann nicht aufhören zu schwimmen, sonst stirbt er.
Aber das allein war es nicht, wie ich mir eingestehen musste. Manchmal finde ich es unerträglich, hier zu leben. Selbst nach fünfundzwanzig Jahren bin ich noch immer ein Außenseiter, und ich hasse es. Und es liegt nicht an meinem Beruf, der ein Leben in Anonymität verlangt. Es liegt auch daran, dass ich, obwohl ich japanisch aussehe, obwohl ich Japanisch wie ein Muttersprachler beherrsche, im Grunde meines Herzens zur Hälfte ein Gaijin bin. Als ich noch ein Kind war, sagte eine gefühllose Lehrerin einmal zu mir: «Was bekommt man, wenn man sauberes Wasser mit schmutzigem Wasser vermischt? Schmutziges Wasser.» Ich brauchte noch einige Jahre voller Kränkungen und Ablehnung, bis ich dahinter kam, was sie meinte: dass ich mit einem unauslöschlichen Makel behaftet bin, den mein Leben im Dunkeln zwar verbergen, aber niemals abwaschen kann.
«Du bist seit über zwei Jahrzehnten hier», sagte Tatsu sanft. «Vielleicht ist es für dich an der Zeit, in die Heimat zurückzukehren.»
Er weiß es, dachte ich. Oder er ist kurz davor. «Ich frage mich, wo meine Heimat ist.»
Er sprach langsam. «Wenn du hier bleibst, besteht die Gefahr, dass wir feststellen, dass wir gegensätzliche Interessen haben.»
«Dann lass uns das nicht feststellen.»
Ich sah das traurige Lächeln. «Wir können es
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