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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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«Selbstverständlich müsste ein Beamter den Fahrer bitten, sein Fenster herunterzukurbeln, um ihm die Sachlage zu erklären.»
    Ich nickte, verstand, worauf er hinauswollte. «Das ist die Nummer von meinem Pager», sagte ich und gab sie ihm. «Ruf sie an, wenn du genau weißt, wann Holtzer sich in Bewegung setzt. Außerdem werde ich etwas Ausrüstung brauchen – eine Blendgranate.» Blendgranaten, die einen lauten Knall und einen grellen Blitz erzeugen, sollen genau das erreichen, was ihr Name verspricht: nicht töten oder verletzen, sondern nur dafür sorgen, dass der Gegner vorübergehend desorientiert ist. Antiterroreinheiten setzen sie ein, bevor sie einen Raum stürmen und die Bösen abknallen.
    Ich musste ihm nicht erklären, wozu ich die Blendgranate brauchte. «Wie kann ich sie dir zukommen lassen?», fragte er.
    «Der Brunnen im Hibiya-Park», antwortete ich, ohne groß nachzudenken. «Deponier sie an der Seite zur Hibiya-dori. Genau am Rand, so.» Ich malte ein Diagramm auf meine Hand, um ganz sicherzugehen, dass er verstand, was ich meinte. «Ruf meinen Pager an, sobald ich sie abholen kann, damit sie nicht allzu lange da rumliegt und vielleicht gefunden wird.»
    «Alles klar.»
    «Noch was», sagte ich.
    «Ja?»
    «Informier deine Leute. Ich will nicht, dass mich einer von ihnen aus Versehen erschießt.»
    «Ich werde mein Bestes tun.»
    «Tu mehr als nur dein Bestes. Es geht um meinen Kopf.»
    «Auch um meinen», sagte er mit ruhiger Stimme. «Ich garantiere dir, wenn du Mist baust, wird genau untersucht werden, wer die Anweisung gegeben hat, den Wagen anzuhalten, und unter welchem Vorwand. Wenn ich Glück habe, schickt man mich bloß in den Vorruhestand. Wenn ich Pech habe, ins Gefängnis.»
    Da war was dran, obwohl ich nicht glaubte, dass er sein Risiko gern gegen meines eingetauscht hätte. Aber es hatte ja keinen Sinn, darüber zu streiten.
    «Halt du einfach den Wagen an. Den Rest erledige ich.»
    Er nickte, dann verbeugte er sich mit beunruhigender Förmlichkeit. «Viel Glück, Rain-san», sagte er und ging davon, verschwand in der zunehmenden Dunkelheit.

22
    ICH LIEBE TOKIO bei Nacht. Es sind die Lichter, glaube ich: Mehr als die Architektur, sogar mehr noch als die Klänge und Düfte sind es die Lichter, die den nächtlichen Geist der Stadt zum Leben erwecken. Es gibt Helligkeit: Straßen, wo neonbeleuchtete Pachinko-Spielhallen verlockend blinken wie Sterne, Straßen, wo die Schaufenster und die Scheinwerferkegel von Tausenden Autos den Asphalt so hell erstrahlen lassen wie ein Baseballstadion im Flutlicht. Und es gibt Dunkelheit: Gässchen, die lediglich vom schwachen Schein eines einsamen Automaten erhellt werden, der an bröckelnden Backstein gelehnt steht wie ein alter Mann, der alle Hoffnung verloren hat und nur verschnaufen will, Straßen, die nur durch den gelblichen Schimmer irgendwelcher Laternen beleuchtet sind, die so weit auseinander stehen, dass ein Passant und sein Schatten in den dämmrigen Zwischenräumen förmlich verschwinden.
    Nach Tatsus Abschied spazierte ich durch die düsteren Sträßchen von Ebisu. Mein Ziel war das Imperial Hotel in Hibiya, wo ich bleiben würde, bis die Sache zu Ende war. Was ich vorhatte, war ein nahezu selbstmörderisches Unternehmen, verglichen mit meinen Einsätzen damals in der SOG und danach als Söldner. Ich fragte mich, ob Tatsus Verbeugung eine Art Epitaph gewesen war.
    Na komm, du hast früher auch schon Einsätze überlebt, von denen jeder eigentlich dein letzter hätte gewesen sein müssen, dachte ich und setzte damit eine Erinnerung in Gang.
    Nach unserem Gemetzel in Kambodscha entwickelten sich die Dinge schlecht für meine Einheit. Bis dahin war das Töten ziemlich unpersönlich gewesen. Man geriet in ein Gefecht, man zielte auf Mündungsfeuer, man konnte seinen Gegner nicht einmal sehen. Vielleicht fand man später Blut oder Hirnmasse, vielleicht einige Leichen. Oder wir hörten eine von uns ausgelegte Claymore-Sprengfalle in einiger Entfernung hochgehen und wussten, dass wir einen erwischt hatten. Aber das, was wir in Cu Lai getan hatten, war anders. Es ließ uns nicht mehr los.
    Ich wusste, dass es falsch gewesen war, aber ich versuchte, mir etwas vorzumachen, indem ich mir einredete, Mensch, wir sind im Krieg, im Krieg passieren nun mal falsche Dinge. Ein paar von meinen Kameraden schlug es aufs Gemüt, und sie wurden vor lauter Schuldgefühlen ängstlich. Crazy Jake – Jimmy – entwickelte sich in die entgegengesetzte Richtung.

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