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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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gezogen hatte, lieferte zusätzlich etwas Wärme und sorgte dafür, dass mein Gesicht im Schatten lag.
    Um 0.25 Uhr holte ich meine Eintrittskarte ab und machte dann noch bis kurz vor ein Uhr einen Spaziergang. Ich wollte nicht riskieren, dass Midori oder einer aus ihrer Band vor Beginn des Sets hinten in dem keilförmigen Raum an mir vorbeikam.
    Ich ging unter der bekannten roten Markise und dem Neonschriftzug her, trat durch die Mahagonitüren und suchte mir einen Platz an den kleinen weißen Tischen möglichst weit hinten. Midori saß schon am Klavier, ganz in Schwarz gekleidet, wie beim ersten Mal, als ich sie gesehen hatte. Es war schön, sie einen Moment unbeobachtet betrachten zu können, getrennt durch eine Traurigkeit, die sie, so wusste ich, bestimmt genauso empfunden hatte wie ich. Sie sah schön aus, und es tat weh.
    Das Licht wurde dunkler, das Stimmengewirr erstarb, und Midori erweckte das Klavier jäh zum Leben, ließ ihre Finger auf die Tasten einhacken. Ich beobachtete sie aufmerksam, wollte mir genau einprägen, wie ihre Hände sich bewegten und ihr Körper schwankte, betrachtete das Mienenspiel ihres Gesichts. Ihre Musik würde ich immer hören können, aber sie selbst würde ich nie wieder spielen sehen.
    Ich hatte stets in ihrer Musik eine Verzweiflung gehört, und ich mochte es, wenn sie zuweilen von einer tiefen, ergebenen Traurigkeit ersetzt wurde. Aber an diesem Abend hatte ihre Musik nichts Ergebenes. Sie war rau und zornig, manchmal voller Trauer, aber niemals resigniert. Ich sah und lauschte, spürte, wie mir die Klänge und die Minuten entglitten, und versuchte, etwas Trost aus dem Gedanken zu schöpfen, dass das, was zwischen uns gewesen war, jetzt vielleicht Eingang in ihre Musik gefunden hatte.
    Ich dachte an Tatsu. Ich wusste, es war richtig gewesen, dass er Midori gesagt hatte, ich wäre tot. Sie hätte ganz bestimmt irgendwann die Wahrheit herausgefunden, oder die Wahrheit hätte sich irgendwie in ihr Bewusstsein gedrängt.
    Und er hatte auch Recht damit, dass sie nicht lange um mich trauern würde. Sie war jung und stand am Anfang einer großen Karriere. Wenn man jemanden nur kurz gekannt hat, auch wenn die Beziehung leidenschaftlich war, ist der Tod zwar ein Schock, aber eben kein sonderlich lang anhaltender oder tiefer Schock. Die Zeit hatte schließlich nicht ausgereicht, um den fraglichen Menschen wirklich zu einem festen Bestandteil deines Lebens zu machen. Es ist verblüffend, sogar ein wenig enttäuschend, wie schnell man darüber hinwegkommt, wie schnell die Erinnerung daran, was man gemeinsam erlebt hat, immer weiter weg rückt, fremd erscheint, wie etwas, das einem Bekannten passiert ist, aber nicht einem selbst.
    Das Set dauerte eine Stunde. Als es zu Ende war, stand ich auf und ging unauffällig durch die Holztüren nach draußen, wo ich einen Moment lang unter dem mondlosen Himmel stehen blieb. Ich schloss die Augen und sog die Gerüche der New Yorker Nachtluft ein, fremd und zugleich doch irritierend vertraut, weil sie mit jenem längst vergangenen Leben verbunden waren.
    «Verzeihung», sagte eine Frauenstimme hinter mir.
    Ich drehte mich um, dachte: Midori. Aber es war nur die Frau von der Garderobe. «Sie haben den hier liegen lassen», sagte sie und hielt mir den Filzhut hin. Ich hatte ihn auf den Stuhl neben mir gelegt, als das Licht ausging, und ihn dann vergessen.
    Wortlos nahm ich den Hut und ging in die Nacht hinaus.
    Midori. Es hatte Augenblicke mit ihr gegeben, in denen ich alles vergessen konnte, was ich getan hatte, alles, was ich geworden war. Aber diese Augenblicke hätten nicht von Dauer sein können. Ich bin das Produkt der Dinge, die ich getan habe, und ich weiß, mit dieser Tatsache werde ich immer erwachen, ganz gleich, wie täuschend die Träume sind, die dem Erwachen vorausgehen.
    Wichtig war, dass ich vor mir selbst nicht verleugnete, was ich war. Ich musste vielmehr einen Weg finden, es in die richtigen Bahnen zu lenken. Vielleicht zum ersten Mal für etwas, was wirklich von Bedeutung war. Vielleicht für etwas mit Tatsu. Das musste ich mir durch den Kopf gehen lassen.
    Midori, noch immer höre ich ihre Musik. Ich versuche, die Klänge festzuhalten, damit sie sich nicht einfach in Luft auflösen, aber sie sind flüchtig und unfassbar, und sie ersterben in der Dunkelheit um mich herum wie Leuchtspurgeschosse im Dschungel.
    Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich ihren Namen ausspreche. Ich mag, wie er sich anfühlt auf den Lippen, und er ist

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