Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Er ließ sich noch tiefer in die Umarmung des Krieges fallen.
Crazy Jakes Treue gegenüber seinen Yards – unsere Abkürzung für Montagnards – war regelrecht fanatisch, und dafür waren sie ihm dankbar. Wenn ein Yard bei einem Gefecht ums Leben kam, überbrachte Jake persönlich dem Oberhaupt des Dorfes die schlimme Nachricht. Er mied die Unterkünfte der Armee, schlief lieber bei seinen Yards. Er erlernte ihre Sprache und ihre Sitten, nahm an ihren Zeremonien und Ritualen teil. Zudem glaubten die Yards an Magie – jedes Dorf hatte seinen eigenen Zauberer -, und ein Mann, der so viele Menschen getötet hatte wie Jake, war von einer mächtigen Aura umgeben.
All das machte unsere hohen Tiere nervös, weil sie nämlich nicht von den Yards respektiert wurden. Das Problem verschärfte sich, als wir dazu abkommandiert wurden, die Wehrdörfer von Bu Dop an der kambodschanischen Grenze zu verstärken, weil Crazy Jake dadurch in noch engeren Kontakt zur einheimischen Bevölkerung geriet.
Jake verzweifelte an den einengenden Vorschriften, die vom Military Assistance Command, Vietnam, erlassen wurden, und an der Unfähigkeit des MACV, den Maulwurf zu entlarven, der Operationen der SOG verriet. Und so begann er schließlich, Bu Dop als Ausgangsbasis für unabhängige Einsätze gegen die Vietcong in Kambodscha zu benutzen. Die Yards hassten die Vietnamesen, weil die Vietnamesen ihnen im Verlauf der Geschichte oft übel mitgespielt hatten, und sie waren nur allzu bereit, Crazy Jake auf seinen mörderischen Vorstößen zu folgen. Doch die SOG wurde aufgelöst, und die Vietnamisierung des Krieges – das heißt, die Übergabe des Krieges in vietnamesische Hände, damit Amerika sich verdrücken konnte – war das Gebot der Stunde. Das MACV befahl ihm, die kambodschanischen Einsätze einzustellen, aber Jake weigerte sich – sagte, sie wären notwendig, um die Dörfer zu verteidigen.
Also beorderte das MACV ihn zurück nach Saigon. Jake ignorierte den Befehl. Ein Trupp wurde losgeschickt, um ihn zu holen, und ward nie mehr gesehen. Das war noch unheimlicher, als wenn man die Männer abgeschlachtet und ihre Köpfe auf Pfähle gespießt gefunden hätte. Hatten sie sich auf Crazy Jakes Seite geschlagen? Besaß er so viel magische Kraft? Hatte er sie einfach verschwinden lassen?
Also stellten sie seinen Nachschub ein. Keine Waffen, kein Material mehr. Aber Jake gab nicht auf. Das MACV fand heraus, dass er Mohn verkaufte, um seine Einsätze zu finanzieren. Jake war zu seinem eigenen Universum geworden. Er hatte eine autonome, ungeheuer kampfstarke, fanatisch loyale Privatarmee.
Das MACV wusste von Jimmys Freundschaft zu mir aus den Personalakten. Eines Tages ließen sie mich kommen. «Sie müssen raus zu ihm und das Problem ein für alle Mal aus der Welt schaffen», sagten sie zu mir. «Er verkauft inzwischen Drogen, er unternimmt unerlaubte Vorstöße nach Kambodscha, er ist außer Kontrolle geraten. Es wäre ein Fiasko, wenn das bekannt würde.»
«Ich glaube nicht, dass ich ihn da rausholen kann. Er hört auf niemanden mehr», sagte ich.
«Wir haben gemeint, ‹ihn aus der Welt scharfem, nicht, ‹da rausholen›», erwiderten sie.
Sie waren zu dritt. Zwei vom MACV, einer von der CIA. Ich schüttelte den Kopf. Der Typ von der CIA meldete sich zu Wort.
«Wenn Sie tun, was wir von Ihnen verlangen, haben Sie Ihr Flugticket nach Hause in der Tasche.»
«Ich komme nach Hause, wenn ich nach Hause komme», sagte ich, aber ich staunte.
Er zuckte die Achseln. «Es gibt nur zwei Alternativen. Die erste ist: Wir bombardieren systematisch jedes Dorf in Bu Dop. Dann müssen wir mit etwa tausend Opfern in der befreundeten Zivilbevölkerung rechnen, plus Calhoun. Wir würden einfach alles und jeden pulverisieren. Das ist kein Problem.
Die zweite ist: Sie tun, was richtig ist, und retten all die Menschen, und am nächsten Tag sitzen Sie im Flugzeug. Mir persönlich ist das scheißegal.» Er drehte sich um und ging aus dem Zimmer.
Ich sagte, dass ich es machen würde. Sie würden ihn sowieso umlegen. Und selbst wenn nicht, mir war klar, was aus ihm geworden war. Ich hatte das bei vielen Jungs erlebt, obwohl es bei Jimmy am schlimmsten war. Sie kamen nach Vietnam und stellten fest, dass Töten genau das war, was sie am besten konnten. Kann man das anderen erzählen? Schreibt man in seinen Lebenslauf: «Neunzig Feinde getötet. Umfangreiche Sammlung menschlicher Ohren. Leitung einer Privatarmee»? Machen wir uns nichts vor, man passt
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