Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
versuchen.»
Wir gingen weiter, unter einem dunklen Himmel.
Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich blieb stehen und sah ihn an. «Vielleicht haben wir noch eine Chance», sagte ich.
«Was meinst du?»
«Die CD. Vielleicht können wir sie doch noch zurückbekommen.»
«Wie?»
«Sie kann nicht kopiert oder elektronisch übertragen werden. Und sie ist verschlüsselt. Holtzer wird Fachleute brauchen, um sie zu entschlüsseln. Entweder er muss die CD zu den Experten bringen, oder die Experten müssen zu ihm kommen.»
Er stockte nur eine Sekunde, dann holte er sein Handy heraus. Er tippte eine Nummer ein, hob das Gerät ans Ohr und wartete.
«Ich muss wissen, welche Mitarbeiter von amerikanischen Behörden in der kommenden Woche, besonders in den nächsten paar Tagen einreisen werden», sagte er in knappem Japanisch ins Telefon. «Besonders Angehörige der NSA oder CIA. Sofort. Ja, ich warte.»
Die Behörden der USA und von Japan melden einander ihre hochrangigen Geheimdienstler auf Grundlage des Sicherheitsvertrages und der allgemeinen geheimdienstlichen Zusammenarbeit vorher an. Die Chance war zwar verschwindend gering, aber es war eine Chance.
Und ich kannte Holtzer. Er hatte eine Vorliebe für große Auftritte. Er würde die CD als den großen Geheimdienstcoup des Jahrhunderts inszenieren. Er würde dafür sorgen, dass er sie höchstpersönlich übergab, um auch ganz sicher sämtliche Lorbeeren einzuheimsen.
Wir warteten schweigend eine Weile, dann sagte Tatsu: «Ja. Ja. Ja. Verstanden. Moment.»
Er drückte sich das Handy gegen die Brust und sagte: «Ein Verschlüsselungsspezialist für NSA-Software ist der japanischen Regierung gemeldet worden. Und der CIA-Leiter für Fernost. Beide landen heute Abend aus Washington kommend in Narita. Ich glaube nicht, dass das ein Zufall ist. Holtzer muss sie herbestellt haben, kaum dass er die CD in den Händen hatte.»
«Wohin wollen sie? Zur Botschaft?»
«Warte.» Er hob das Telefon wieder ans Ohr. «Stellen Sie fest, ob sie eine diplomatische Eskorte angefordert haben, und wenn ja, wohin sie wollen. Ich warte.»
Er drückte sich das Telefon erneut an die Brust. «Bei der Keisatsucho werden häufig Eskorten für Mitarbeiter amerikanischer Regierungsbehörden angefordert», sagte er. «Die Amerikaner haben nämlich nicht das Budget, um sich einen Fahrdienst zu leisten, also benutzen sie uns und behaupten, es geschehe aus Gründen der diplomatischen Sicherheit. Vielleicht kann ich dieser Gewohnheit jetzt zum ersten Mal etwas Positives abgewinnen.»
Er hielt sich das Telefon wieder ans Ohr, und wir warteten. Nach ein paar Minuten sagte er: «Gut. Gut. Warten Sie.» Das Telefon wanderte zurück auf die Brust. «US-Marinestützpunkt Yokosuka. Donnerstagmorgen, direkt vom Narita Airport Hilton aus.»
«Dann haben wir ihn.»
Seine Miene war grimmig: «Wie genau soll ich das anstellen?»
«Verdammt, lass Holtzers Wagen stoppen, nimm ihm die CD ab, erklär ihn meinetwegen zur Persona non grata.»
«Und mit welchen Beweisen bitte sehr? Das wird die Staatsanwälte nämlich interessieren.»
«Ach, weiß ich doch nicht. Sag ihnen, es war eine anonyme Quelle.»
«Du verstehst nicht, worum es geht. Was du mir erzählt hast, ist kein Beweis. Das ist Hörensagen.»
«Himmelherrgott, Tatsu», sagte ich aufgebracht. «Seit wann bist du bloß so ein verdammter Bürokrat?»
«Das hat nichts mit Bürokratie zu tun», sagte er schneidend, und ich wünschte, ich hätte mein Temperament besser gezügelt. «Das hat was damit zu tun, dass man die geeigneten Instrumente einsetzt, um etwas zu erreichen. Was du vorschlägst, wäre sinnlos.»
Ich wurde rot. Irgendwie brachte Tatsu mich immer so weit, dass ich mir wie ein schwerfälliger, begriffsstutziger Gaijin vorkam. «Na gut, wenn wir nicht den Dienstweg nehmen können, was schlägst du stattdessen vor?»
«Ich kann die CD zurückholen und Midori schützen. Aber dazu brauche ich dich.» «Was schlägst du vor?»
«Ich sorge dafür, dass Holtzers Wagen vor dem Marinestützpunkt gestoppt wird, vielleicht unter dem Vorwand, dass das Fahrgestell auf Sprengstoff untersucht werden muss.» Er blickte mich ungerührt an. «Vielleicht könnte uns ein anonymer Anruf einen derartigen Tipp geben.»
«Was du nicht sagst», entgegnete ich.
Er zuckte die Achseln und leierte eine Telefonnummer herunter, die ich mir auf die Hand schrieb, wobei ich die letzten vier Stellen umdrehte und von jeder zwei abzog. Als ich fertig war, sagte er:
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