Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
jetzt.»
«Deshalb hast du also Midori beschatten lassen.»
«Natürlich.» So trocken, wie Tatsu «natürlich» sagt, klingt es, als würde er seinem Gegenüber eine gewisse Begriffsstutzigkeit unterstellen. «Kawamura ist fast unmittelbar nach seinem Anruf bei mir gestorben, was bedeutet, dass er wahrscheinlich nicht mehr in der Lage war, die CD wie geplant den ‹westlichen Medien› zu übergeben. Seine Tochter hat seine Habseligkeiten. Sie war logischerweise unser Ziel.»
«Und deshalb hast du auch den Einbruch in die Wohnung ihres Vaters untersucht.»
Er blickte mich missbilligend an. «Meine Männer waren die Einbrecher. Wir haben die CD gesucht.»
«Gleich zwei Möglichkeiten, sie zu suchen – beim Einbruch und dann bei der Ermittlung», sagte ich und bewunderte seine Raffinesse. «Sehr praktisch.»
«Nicht praktisch genug. Wir konnten sie nicht finden. Deshalb haben wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf die Tochter gerichtet.»
«Du und alle anderen.»
«Übrigens, Rain-san», sagte er, «ich habe sie in Omotesando von einem Mann beschatten lassen. Er hatte einen völlig absurden Unfall auf der Herrentoilette einer Bar. Sein Genick war gebrochen.»
O Gott, das war einer von Tatsus Männern gewesen. Dann war es Benny vielleicht doch ernst damit gewesen, mir achtundvierzig Stunden Bedenkzeit für den Midori-Auftrag zu geben. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. «Tatsächlich?», sagte ich.
«In derselben Nacht hatte ich Männer in die Wohnung der Tochter geschickt, um sie dort abzufangen. Obwohl sie bewaffnet waren, wurden sie überraschend von einem einzigen Mann angegriffen und überwältigt.»
«Peinlich», sagte ich abwartend.
Er nahm eine Zigarette heraus, betrachtete sie einen Moment lang, dann schob er sie sich zwischen die Lippen und zündete sie an. «Was soll's?», sagte er und stieß eine graue Rauchwolke aus. «Vorbei ist vorbei. Jetzt hat die CIA die CD.»
«Wie kommst du denn darauf? Was ist mit Yamaoto?»
«Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Yamaoto noch immer nach der CD sucht. Und außer mir spielt nur noch ein anderer in diesem Drama mit. Und der muss Bulfinch die CD abgenommen haben.»
«Falls du Holtzer meinst, der arbeitet für Yamaoto.»
Er lächelte sein trauriges Lächeln. «Holtzer arbeitet nicht nur für Yamaoto, er ist Yamaotos Sklave. Und wie die meisten Sklaven sucht er nach einem Fluchtweg.»
«Jetzt komm ich nicht mehr mit.»
«Yamaoto kontrolliert Holtzer durch Erpressung, so wie er alle seine Marionetten kontrolliert. Aber Holtzer spielt ein doppeltes Spiel. Er will Yamaoto mit der CD zu Fall bringen, die Fäden der Marionette durchtrennen.»
«Dann hat Holtzer Yamaoto also nicht darüber informiert, dass die CIA die CD hat.»
Er zuckte die Achseln. «Wie ich schon sagte, Yamaoto sucht noch immer danach.»
«Tatsu», sagte ich leise, «was ist auf der CD?»
Er sog müde an seiner Zigarette, blies den Rauch gen Himmel. «Videoaufnahmen von außerehelichen Geschlechtsakten, Tonmaterial über Bestechungen und Schmiergeldzahlungen, Nummern von geheimen Konten, Dokumente über illegale Immobiliengeschäfte und Geldwäsche.»
«Und das alles belastet Yamaoto?»
Er sah mich an, als wunderte er sich, wie ich so begriffsstutzig sein konnte. «Rain-san, du warst ein großartiger Soldat, aber als Polizist wärst du eine Niete. Das belastet so ziemlich jeden außer Yamaoto.»
Ich schwieg einen Moment, während ich versuchte, das Bild zu vervollständigen. «Yamaoto verwendet die Informationen, die auf der CD sind, um Leute zu erpressen?»
«Natürlich», sagte er wieder auf seine trockene Art. «Was glaubst du, warum wir eine gescheiterte Regierung nach der anderen haben? Elf Premierminister in ebenso vielen Jahren? Jeder Einzelne von ihnen war entweder ein Handlanger der LDP oder ein Reformer, der sofort vereinnahmt und entschärft wurde. Dahinter steckt Yamaoto, der im Dunkeln die Fäden in der Hand hält.»
«Aber er ist noch nicht mal LDP-Mitglied.»
«Will er auch gar nicht sein. Seine Herrschaft ist so, wie er sie jetzt ausübt, wesentlich effektiver. Wenn ein Politiker seinen Unwillen erregt, werden über ihn unangenehme Informationen preisgegeben, die Medien werden angewiesen, sie aufzubauschen, und der unbequeme Politiker stürzt in Schimpf und Schande. Der Skandal beschädigt nur die LDP, niemals die Shinnento.»
«Wie kommt er an seine Informationen?»
«Durch ein ausgeklügeltes System aus Abhöranlagen, Überwachungskameras und
Weitere Kostenlose Bücher