Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
doch im letzten Moment bewegte er sich leicht, und sein Trapezmuskel bekam die Hauptwucht ab. Ich ließ einen Hieb mit dem linken Ellbogen folgen, zielte auf sein Keilbein, traf aber hauptsächlich sein Ohr.
Ehe ich einen weiteren Schlag landen konnte, hatte er hinter mir den Stock herumgewirbelt und ihn mit der freien Hand gepackt. Dann riss er mich mit beiden Armen zu sich heran, so dass der Stock in meinen Rücken drückte. Er neigte sich nach hinten, und meine Füße verloren den Bodenkontakt. Mir blieb die Luft weg. Schmerzen schossen mir durch die Nierengegend.
Ich kämpfte den Drang nieder, mich von ihm wegzustemmen, weil ich wusste, dass ich es nicht mit seiner Kraft aufnehmen konnte. Stattdessen schlang ich die Arme um seinen Hals und schwang die Beine hinter seinem Rücken hoch. Ich hatte das Gefühl, als würde der Stock mir das Rückgrat durchtrennen.
Meine Bewegung überraschte ihn, und er verlor das Gleichgewicht. Er machte einen Schritt nach hinten, ließ den Stock los und ruderte mit dem linken Arm. Ich verschränkte die Beine hinter seinem Rücken und ließ mein Gewicht plötzlich fallen, so dass er gegensteuern musste, die Balance verlor und über mich kippte. Wir schlugen hart auf dem Boden auf. Ich lag unten und bekam am meisten von dem Aufprall ab, aber jetzt waren wir da, wo ich mich besser auskannte.
Ich packte ihn mit einem Kreuzgriff am Jackenkragen und setzte zu einem Gyaku-juji-jime an, einem der ersten Würgegriffe, die ein Judoka lernt. Er reagierte sofort, ließ den Stock los und tastete nach meinen Augen. Ich ließ meinen Kopf vor- und zurückschnellen, um seinen Fingern zu entgehen, setzte dabei die Beine ein, um seinen Oberkörper festzuhalten. Einmal erwischte er mich am Ohr, aber ich konnte mich losreißen.
Der Würgegriff war nicht perfekt. Ich hatte weniger die Halsschlagader erwischt als die Luftröhre, und er wehrte sich lange und immer verzweifelter. Aber er konnte nichts machen. Ich behielt den Griff sogar bei, als er schon aufgehört hatte zu kämpfen, und drehte den Kopf, um zu sehen, ob jemand kam. Niemand.
Als ich sicher war, dass der Punkt, an dem er sich einfach nur tot stellen konnte, längst vorbei war, lockerte ich den Griff und schob mich unter ihm weg. Himmel, war der schwer. Ich rutschte zur Seite und stand auf. Mein Rücken schmerzte mörderisch von dem Stock, und mein Atem kam rasselnd und stoßweise.
Aus langer Erfahrung wusste ich, dass er nicht tot war. Im Dojo kommt es häufig vor, dass jemand bei einem Würgegriff das Bewusstsein verliert; das ist nicht weiter schlimm. Falls die Bewusstlosigkeit tief ist, wie in diesem Fall, muss man den Ohnmächtigen aufrecht hinsetzen und ihm auf den Rücken schlagen oder ihn wiederbeleben, um die Atmung wieder in Gang zu bringen.
Der Bursche hier würde sich einen anderen suchen müssen, um seinen Motor wieder anzuwerfen. Ich hätte ihm gern ein paar Fragen gestellt, aber er war schließlich kein Benny.
Ich ging in die Hocke, eine Hand auf dem Boden, um mich abzustützen, und durchsuchte seine Taschen. In der Brusttasche der Jacke fand ich ein Handy. Rasch ging ich die anderen Taschen durch. Fand das Pfefferspray. Ansonsten förderte ich nichts zutage.
Als ich aufstand, jagten mir Schmerzstöße durch den Rücken, und ich setzte mich in Richtung meiner Wohnung in Bewegung. Zwei Mädchen in der blauen Matrosenuniform ihrer Schule kamen genau in dem Augenblick an mir vorbei, als ich aus der Gasse trat und links in meine Straße einbog. Der Unterkiefer klappte ihnen runter, als sie mich sahen, aber ich achtete nicht auf sie. Wieso starrten sie mich so an? Ich griff mit einer Hand nach oben, spürte die Nässe auf meiner Wange. Scheiße, ich blutete. Er hatte mir das ganze Gesicht zerkratzt.
So schnell ich konnte, ging ich zu meinem Haus, stieg unter Schmerzen die beiden Treppen hinauf. In meiner Wohnung wischte ich mir im Bad mit einem feuchten Waschlappen das Blut aus dem Gesicht. Das Bild, das mich aus dem Spiegel anstarrte, sah übel aus, und es würde eine Weile dauern, bis es wieder besser aussah.
Es war ein eigenartiges Gefühl, in der Wohnung zu sein. Sie war immer mein sicherer Hafen gewesen, eine anonyme Zuflucht. Jetzt war sie von Holtzer und der CIA ans Licht gezerrt worden -zwei Geister aus meiner Vergangenheit, die ich glaubte weit hinter mir gelassen zu haben. Ich musste herausfinden, warum sie hinter mir her waren. Beruflich? Persönlich? Bei Holtzer vermutlich beides.
Ich suchte hastig die
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