Tokio Killer - 02 - Die Rache
Aufklärungspatrouillen in Vietnam gelernt hatte, drückte mich an den Häusern entlang, überprüfte jede Ecke, jeden Gefahrenpunkt, vergewisserte mich, dass er sauber war, ehe ich weiter vorrückte.
Ich brauchte fast eine halbe Stunde für die hundert Meter bis zum Hinterhalt. Als ich nur noch drei Meter entfernt war, reichte die Deckung, die die Müllcontainer boten, nicht mehr, um noch näher heranzukommen. Ich duckte mich tief und wartete.
Fünf Minuten vergingen. Ich hörte, wie ein Streichholz angerissen wurde, dann sah ich eine blaue Rauchwolke direkt hinter den Containern hervorwehen. Wer auch immer dort wartete, es war nicht Murakami. So etwas Stümperhaftes hätte Murakami niemals getan.
Ich schob das Pfefferspray zurück in die Tasche, zog den Schlagstock langsam auf volle Länge aus, mit einem letzten Ruck, um sicherzugehen, dass die einzelnen Teile auch wirklich eingerastet waren, und hielt ihn dann fest in der rechten Hand. Ich sah den Rauch vor mir aufsteigen und achtete auf den Rhythmus des Inhalierens. Ich wartete auf den Moment, wo er an der Zigarette zog und seine Aufmerksamkeit ein wenig durch den Genuss abgelenkt sein würde. Ein, aus. Ein, aus. Ein …
Ich sprang aus meiner Kauerstellung hoch und schoss nach vorn, den Schlagstockarm schräg nach hinten gebogen, als wollte ich mir die andere Schulter kratzen, die freie Hand gehoben, um Gesicht und Kopf zu schützen. In Sekundenschnelle hatte ich den Abstand überbrückt, und ich sah den Mann, sobald ich um die Müllcontainer hinter ihm herumkam. Es war einer von Murakamis Bodyguards. Er trug ein schwarzes Lederblouson, Sonnenbrille und Wollmütze, um sich leicht zu tarnen. Er hatte das jähe Geräusch meines Angriffs gehört und wollte sich gerade umdrehen, als ich auf ihn zusprang.
Sein Mund klappte auf, die Zigarette baumelte nutzlos von seinen Lippen. Er griff mit der rechten Hand in eine Jackentasche. Ich sah alles langsam, überdeutlich.
Ich trat mit dem rechten Fuß vor und schlug ihm den Schlagstock mit voller Wucht seitlich ins Gesicht. Sein Kopf schnellte von der Heftigkeit des Schlages nach links. Die Sonnenbrille flog ihm von der Nase. Die Zigarette schoss aus seinem Mund, drehte sich wie eine leere Patronenhülse, gefolgt von einer Explosion aus Zähnen und Blut. Er taumelte rückwärts gegen das Gebäude und begann, an der Wand herunterzurutschen. Ich stellte mich dicht vor ihn, drückte ihm den Schlagstockgriff unters Kinn und hielt so sein Abwärtsgleiten auf.
«Wo ist Murakami?», fragte ich.
Er hustete eine Mischung aus Blut und Zahnmasse aus.
Ich tastete ihn ab, während er würgte und versuchte, sich zu sammeln. In seiner Jacke fand ich ein Kershaw-Messer, wie das von Murakami, und am Gürtel trug er ein Handy. Ich steckte beides ein.
Ich drückte fester mit dem Schlagstock zu. «Wo ist er?», fragte ich erneut.
Er hustete und spuckte. «Naka da», sagt er, aufgrund seiner Verletzungen nur schwer zu verstehen. Drinnen.
«Wo ist euer zweiter Mann?»
Er stöhnte und wollte die Hand ans Gesicht heben. Ich rammte ihm den Schlagstock gegen den Hals. Er machte eine Grimasse und ließ die Arme sinken.
«Wo ist euer zweiter Mann?», fragte ich wieder.
Er schnappte nach Luft und keuchte. «Omote da.» Vor dem Haus.
Das klang glaubhaft. So hätte auch ich meine Leute verteilt.
Ich nahm den Schlagstock runter und stieß ihm die Spitze in den Solarplexus. Mit einem grunzenden Laut kippte er vor. Ich trat hinter ihn, legte den Schlagstock quer über seine Gurgel und rammte ihm ein Knie ins Kreuz. Ich bog mich nach hinten, zwang ihn mit dem Schlagstock rückwärts und mit dem Knie vorwärts. Seine Hände flogen hoch zu der stählernen Stange, um den Druck zu verringern, aber es war schon zu spät. Sein Kehlkopf war eingedrückt. Eine halbe Minute lang kämpfte er lautlos weiter, dann sackte er gegen mich.
Ich ließ ihn zu Boden gleiten und sah mich um. Alles ruhig. Ich zog ihm Mütze und Blouson aus und streifte sie mir über. Ich suchte den Boden nach der Sonnenbrille ab – da lag sie. Ich setzte sie auf.
Ich zerrte den Toten so tief ich konnte in den Schatten, dann hob ich die noch brennende Zigarette auf und steckte sie mir zwischen die Lippen. Ich stieß den Schlagstock auf die Straßendecke, um ihn zusammenzuschieben, schob ihn in eine Jackentasche und nahm das Pfefferspray in die Hand.
Anders als auf der Rückseite des Gebäudes gab es vorn keine rechtwinklig abgehenden Straßen und daher weniger gute
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