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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Moment lang die Augen und inhalierte einen Hauch Meeresluft mit Sherry-Aroma. Ich nahm einen Schluck. Salz und Meer, ja, aber irgendwo auch ein Anflug von fruchtigem Geschmack. Der Abgang war lang und trocken. Ich lächelte. Nicht schlecht für einen Fünfundzwanzigjährigen.
    Ich trank noch einen Schluck und blickte mich um. Der Laden könnte ganz legal sein, dachte ich. Sicherlich hatte er mit dem organisierten Verbrechen zu tun, aber das war ganz normal in der Branche des Mizu Shobai, nicht bloß in Japan, sondern überall auf der Welt. Vielleicht hatte Harry einfach mal Glück gehabt.
    Vielleicht.
    Einige Minuten später kam die Dunkelhaarige hinter der Bühne hervor. Sie ging die wenigen Stufen hinunter und kam an meinen Tisch.
    Sie trug jetzt ein trägerloses schwarzes Cocktailkleid. Ein dünnes Diamantarmband schmückte ihr linkes Handgelenk. Ein Geschenk von einem Verehrer, dachte ich. Ich nahm an, dass sie viele hatte.
    «Darf ich mich zu Ihnen setzen?», fragte sie. Ihr Japanisch hatte einen schwachen, warmen Akzent, vielleicht Spanisch oder Portugiesisch.
    «Aber gern», erwiderte ich auf Englisch, stand auf und rückte ihr einen Stuhl zurecht. «Können wir Englisch sprechen?»
    «Natürlich», schaltete sie um. «Ich dachte bloß … Sie sind Amerikaner?»
    Ich nickte. «Meine Eltern sind Japaner, aber ich bin in Amerika aufgewachsen. Englisch fällt mir leichter.»
    Ich schob den Stuhl langsam unter sie. Das Cocktailkleid war am Rücken geschnürt. Weiche Haut schimmerte zwischen den Schnüren hindurch.
    Ich setzte mich neben sie. «Ihr Tanz hat mir gefallen», sagte ich.
    Mir war klar, dass sie das bestimmt schon tausendmal gehört hatte, und ihr Lächeln bestätigte es. Das Lächeln sagte: Natürlich hat er das.
    Gut so. Ich wollte, dass sie das Gefühl hatte, die Kontrolle zu haben, damit sie weniger auf der Hut war. Wir würden etwas trinken, ganz entspannt, uns ein wenig kennen lernen, bevor ich aus ihr herauskitzelte, was mich wirklich interessierte.
    «Was führt Sie nach Tokio?», fragte sie.
    «Geschäfte. Ich bin Wirtschaftsprüfer. Einmal im Jahr komme ich nach Japan, weil wir hier einen Mandanten haben.» Es war eine gute Tarnung. Kein Mensch stellt weiter gehende Fragen, wenn man erzählt, dass man Wirtschaftsprüfer ist. Jeder hat Angst, man könnte antworten.
    «Ich heiße übrigens John», fügte ich hinzu.
    Sie hielt mir ihre Hand hin. «Naomi.»
    Ihre Finger lagen klein in meiner Hand, aber ihr Händedruck war fest. Ich versuchte, ihr Alter zu schätzen. Ende Zwanzig, Anfang Dreißig. Sie sah jung aus, aber sie hatte eine elegante Art, sich zu kleiden und zu geben.
    «Darf ich Sie zu einem Drink einladen, Naomi?»
    «Was trinken Sie denn da?»
    «Etwas ganz Besonderes, wenn Sie Single Malts mögen.»
    «Ich liebe Single Malts. Besonders die alten Islay-Whiskys. Man sagt, das Alter löscht das Feuer und lässt die Wärme zurück. Das mag ich.»
    Du bist gut, dachte ich und sah sie an. Ihr Mund war wunderschön: volle Lippen, ebenmäßige, weiße Zähne. Ihre Augen waren grün. Ein kleines Netz Sommersprossen breitete sich auf der Nase und drum herum aus, kaum wahrnehmbar vor dem Hintergrund der Karamellhaut.
    «Was ich trinke, ist kein Islay», sagte ich, «aber er hat einen Inselcharakter. Rauch und Torf. Ein Springbank.»
    Sie hob die Augenbrauen. «Der fünfundzwanzigjährige?»
    «Sie kennen die Getränkekarte», sagte ich nickend. «Möchten Sie einen?»
    «Nach einem Abend mit verdünntem Suntory? Sehr gern.»
    Natürlich sehr gern. Sie bekam bestimmt einen Anteil von dem, was ihre Kunden konsumierten. Ein paar Zehntausend-Yen-Drinks, und sie konnte Feierabend machen.
    Ich bestellte noch einen Springbank. Sie stellte mir Fragen: Wieso ich mich so gut mit Single Malts auskannte, wo ich in den Staaten lebte, wie oft ich schon in Tokio war. Sie spielte ihre Rolle gut, und ich ließ sie gewähren.
    Als unsere Gläser leer waren, fragte ich, ob sie noch einen Drink wolle.
    Sie lächelte. «Sie denken an den Talisker.»
    «Sie können ja Gedanken lesen.»
    «Ich kenne bloß die Getränkekarte. Und ich weiß, was guter Geschmack ist. Ich hätte gern noch einen Drink.»
    Ich bestellte zwei Talisker. Sie waren vorzüglich: intensiv und pfefferig, mit einem Abgang, der ewig dauerte. Wir tranken und plauderten noch eine Weile.
    Als die zweite Runde fast zu Ende war, änderte ich den Kurs.
    «Wo kommen Sie her?», fragte ich. «Sie sind keine Japanerin.» Letzteres sagte ich mit einem

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