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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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ausschalten, nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere?
    «Was hat er dir sonst noch erzählt?», fragte ich.
    «Dass du ihm die CD beschafft hast, in dem Glauben, er werde sie zur Veröffentlichung an die Medien geben.»
    «Hat er dir auch erzählt, warum er das nicht getan hat?»
    Sie nickte. «Weil die Informationen so brisant waren, dass sie die liberaldemokratische Regierung gestürzt und Yamaotos Aufstieg erleichtert hätten.»
    «Du scheinst ja ziemlich auf dem Laufenden zu sein.»
    «Ich bin alles andere als auf dem Laufenden.»
    «Was ist mit Harry?», fragte ich nach einem Moment. «Wieso hast du dich nicht an ihn gewendet?»
    Sie schaute weg und sagte: «Hab ich ja. Ich habe ihm einen Brief geschrieben. Er hat geantwortet, er habe von deinem Tod erfahren, und mehr wisse er auch nicht.»
    So, wie sie weggeschaut hatte … da war etwas, das sie mir verschwieg.
    «Und du hast ihm geglaubt?»
    «Wieso nicht?»
    Gute Reaktion. Aber da steckte mehr dahinter, dachte ich.
    «Weißt du noch, als wir uns das letzte Mal gesehen haben?», fragte sie.
    Das war hier gewesen, im Imperial-Hotel. Wir hatten die Nacht zusammen verbracht. Am nächsten Morgen war ich gegangen, um Holtzers Limousine abzufangen. Danach hatte ich einige Tage in Polizeigewahrsam verbracht. In der Zwischenzeit hatte Tatsu Midori erzählt, ich sei tot, und hatte die CD eingesackt. Ende, aus.
    «Ja, natürlich», sagte ich.
    «Du hast gesagt: ‹Bin am Abend wieder zurück. Wartest du hier auf mich?› Tja, ich habe zwei Tage auf dich gewartet, bis sich dein Freund Ishikura-san bei mir gemeldet hat. Ich hatte niemanden, den ich ansprechen konnte, keine Möglichkeit, irgendwas zu erfahren.»
    Ich bemerkte, dass ihre Augen kurz zur Decke wanderten, vielleicht, weil sie den Blick von Erinnerungen abwendete. Vielleicht auch, weil sie gegen die Tränen ankämpfte.
    «Ich wollte nicht glauben, dass du gestorben bist», sprach sie weiter. «Und irgendwann kamen mir Zweifel. Ich habe mich gefragt, was das zu bedeuten hätte, wenn du nicht tot wärst. Wie du mir das hättest antun können. Aber ich wurde den Verdacht nicht mehr los. Ich wusste nicht, ob ich um dich trauern sollte oder dich umbringen wollte.»
    Sie wandte den Kopf und sah mich an. «Begreifst du, was ich wegen dir durchgemacht habe?», fragte sie, und ihre Stimme erstarb zu einem Flüstern. «Du … du hast mich richtig gequält!»
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sie sich rasch mit dem Daumen über eine Wange strich, dann über die andere. Ich blickte nach unten in mein Glas. Dass ich Zeuge ihrer Tränen wurde, war vermutlich das Letzte, was sie sich wünschte.
    Nach einem Augenblick drehte ich mich zu ihr. «Midori», sagte ich. Meine Stimme war tief und klang für mich selbst fremd. «Ich kann dir gar nicht sagen, wie Leid mir das alles tut. Wenn ich irgendetwas davon rückgängig machen könnte, ich würde es tun.»
    Wir schwiegen einen Moment. Ich dachte an Rio und sagte: «Auch wenn es nicht viel ändert, ich versuche aufzuhören.»
    Sie sah mich an. «Wie sehr versuchst du es? Die meisten kommen ziemlich gut zurecht, ohne andere Leute umzubringen. Sie müssen sich nicht sonderlich anstrengen, es nicht zu tun.»
    «Bei mir liegt der Fall ein bisschen komplizierter.»
    «Warum?»
    Ich zuckte die Achseln. «Im Augenblick scheinen die Leute, die mich kennen, in zwei gleich große Lager gespalten zu sein. Die einen wollen mich töten, die anderen wollen, dass ich für sie töte.»
    «Ishikura-san?»
    Ich nickte. «Tatsu hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Korruption in Japan zu bekämpfen. Er hat Erfolge, aber die Kräfte, mit denen er sich anlegt, sind stärker als er. Er versucht, für Chancengleichheit zu sorgen.»
    «Es fällt mir schwer, in ihm einen von den Guten zu sehen.»
    «Das kann ich mir vorstellen. Aber die Welt, in der er lebt, ist nicht so schwarz und weiß wie deine. Ob du es glaubst oder nicht, er hat versucht, deinem Vater zu helfen.»
    Und plötzlich wurde mir klar, warum er sie hierher geschickt hatte. Nicht, weil er gehofft hatte, dass ich ihm als Gegenleistung für ein paar entschuldigende Bemerkungen, die er Midori gegenüber gemacht hatte, helfen würde. Oder zumindest nicht allein deshalb. Nein, seine eigentliche Hoffnung war die, dass Midori, wenn sie Tatsu als jemanden sah, der den Kampf weiterführte, den ihr Vater begonnen hatte, von mir erwarten würde, dass ich ihm half. Er hoffte, dass die Begegnung mit ihr meine Schuldgefühle bezüglich ihres

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