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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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gesagt hatte, über Risiko und Gegenangebot.
    Harry hatte viel zu bieten. Das würde wohl auch so bleiben. Aber er war nicht mehr vorsichtig. Ihn jetzt in meinem Leben zu behalten war ein größeres Risiko als zuvor.
    Ich seufzte. Zwei Abschiede an einem Abend. Es war deprimierend. Schließlich hatte ich nicht ein ganzes Notizbuch voller Freunde.
    Aber es nützte nichts, deswegen sentimental zu werden. Sentimentalität ist dumm. Unterm Strich war Harry für mich zu einer Gefahr geworden. Ich musste ihn zurücklassen.

 
     
     
    3
     
    Gott existiert nicht, der Hund.
     
    S AMUEL B ECKETT

14
     
    I CH KEHRTE ZUM I MPERIAL ZURÜCK und betrat das Hotel durch den Eingang auf der Seite zum Hibiya-Park. Für mich ist jedes Hotel, in dem ich wohne, ein Engpass, der sich für einen Überfall anbietet, und mein Radarsystem schaltete eine Stufe höher, als ich durch die weitläufige Halle zu den Fahrstühlen ging. Automatisch suchte ich meine Umgebung ab, konzentrierte mich zunächst auf die Sessel, die den besten Blick auf den Eingang boten. Dort würde ein Überfallteam einen Späher positionieren, der den Auftrag hätte, für eine eindeutige Identifizierung zu sorgen. Ich entdeckte niemanden, der in Frage kam. Mein Radar blieb auf mittlerer Alarmbereitschaft.
    Als ich auf die Fahrstühle zuging, bemerkte ich eine auffallend attraktive Japanerin, Mitte dreißig, schulterlanges schwarzes Haar, wellig und schimmernd, die Haut im Gegensatz dazu glatt und blassweiß. Sie trug eine verwaschene Bluejeans, flache schwarze Schuhe und einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt. Sie stand mitten vor den Fahrstühlen und sah mich direkt an.
    Es war Midori.
    Nein, dachte ich. Sieh genauer hin.
    Seit dem letzten Mal vor etwa einem Jahr, als ich mir versteckt im Dunkeln ihren Auftritt im Village Vanguard in New York angesehen hatte, waren mir schon etliche Frauen aufgefallen, die Midori auf den ersten Blick ähnelten. Jedes Mal, wenn das passierte, fügte meine Phantasie bestimmte Details hinzu, und die Illusion währte ein oder zwei Sekunden, bis ein genaueres Hinsehen jenen hoffnungsvollen Teil meines Kopfes von seinem Irrtum überzeugen konnte.
    Die Frau beobachtete mich. Ihre Arme, die sie vor der Brust verschränkt hatte, sanken nach unten.
    Midori. Kein Zweifel.
    Mein Herz hämmerte mir in der Brust. Ein Schwall von Fragen schoss mir durch den Kopf: Wieso ist sie hier? Kann sie das wirklich sein? Was macht sie hier in Tokio? Woher weiß sie, wo sie mich findet? Wie kann das überhaupt jemand wissen?
    Ich schob die Fragen beiseite und überprüfte die sekundären Angriffspunkte um mich herum. Nur weil du eine Überraschung entdeckt hast, heißt das nicht, dass es nicht noch eine zweite gibt. Nein, die erste könnte sogar eine bewusste Ablenkung sein, das Vorspiel zum tödlichen Knockout.
    Ich sah niemanden, der fehl am Platze wirkte. Nichts alarmierte mein jetzt auf Höchststufe laufendes Radarsystem. Okay.
    Ich sah sie wieder an, rechnete noch immer halb damit, bei genauerem Hinsehen festzustellen, dass ich halluziniert hatte. Ich hatte nicht. Sie war es.
    Sie stand ruhig da und sah mich an. Ihre Haltung war angespannt und irgendwie entschlossen. Ihre Augen ruhten unverwandt auf mir, aber ich konnte ihren Ausdruck nicht deuten.
    Noch einmal ließ ich den Blick durch die Halle schweifen, dann ging ich langsam auf sie zu. Direkt vor ihr blieb ich stehen. Ich dachte, das Klopfen in meiner Brust sei so laut, dass sie es hören müsse.
    Reiß dich zusammen, dachte ich. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    «Wie hast du mich gefunden?», kam schließlich aus meinem Mund.
    Ihre Miene war ruhig, beinahe leer. Die Augen dunkel. Sie verströmten ihre charakteristische, unberührbare Wärme.
    «Ich habe im Adressverzeichnis für Leute nachgesehen, die angeblich tot sind», sagte sie.
    Falls sie es darauf angelegt hatte, mich aus der Fassung zu bringen, so war ihr das gelungen. Ich sah mich wieder um.
    «Hast du vor irgendwas Angst?», fragte sie leichthin.
    «Ständig», sagte ich und richtete den Blick wieder auf sie.
    «Angst vor mir? Wieso?»
    Pause. Ich fragte: «Was machst du hier?»
    «Dich suchen.»
    «Warum?»
    «Markier nicht den Arglosen. Du weißt genau, warum.»
    Mein Puls verlangsamte sich allmählich wieder. Wenn sie dachte, ich würde als Reaktion auf ihre ausweichenden Antworten mein Herz erleichtern, dann hatte sie sich geschnitten. So läuft das bei mir nicht, nicht mal bei ihr.
    «Verrätst du mir nun, wie du mich

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