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Tokio Killer - 02 - Die Rache

Tokio Killer - 02 - Die Rache

Titel: Tokio Killer - 02 - Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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gesenkt, um den Kameras möglichst kein hübsches Bild von mir zu bieten, aber sicher konnte ich mir nicht sein. Ich fühlte mich in die Enge getrieben, klaustrophobisch.
    Vielleicht würde ich einfach abhauen. Gleich morgen früh: Osaka, Rio, finito.
    Aber ich fand den Gedanke unerträglich, dass Midori versuchen könnte, Kontakt zu mir aufzunehmen, nur um wieder feststellen zu müssen, dass ich verschwunden war.
    Du lügst sie jetzt schon an, dachte ich. Nach gerade mal einer halben Stunde.
    Vielleicht würde ich noch einen Tag bleiben, höchstens zwei. Danach würde Midori oder Tatsu oder sonst wer nur noch per Postkarte von mir hören.
    Ich machte ein paar abrupte Richtungswechsel, um mich zu vergewissern, dass ich nicht verfolgt wurde. Dann verlangsamte ich das Tempo und ließ mich durch das nächtliche Tokio treiben, ohne zu wissen wohin, ohne es wissen zu wollen.
    Ich kam an Kanalarbeitern vorbei, an Bautrupps, die sich unter Halogenlampen mit den Schlaglöchern nachtstiller Straßen abmühten, an Lieferanten, die leise ihre Fahrzeuge entluden und die Waren auf menschenleere Bürgersteige und in lautlose Ladeneingänge stellten.
    Ich kam an der U-Bahn-Station Nogizaka vorbei und merkte, dass ich mich unbewusst in nordwestlicher Richtung bewegt hatte. Ich blieb stehen. Aoyama Bochi lag direkt vor mir, still und düster, zog mich an wie ein gähnendes schwarzes Loch, dessen Schwerkraft noch größer war als die von ganz Tokio und drum herum.
    Ohne nachzudenken, überquerte ich die Straße, sprang über die Leitplanke in der Mitte. Als ich die Steintreppe erreichte, hielt ich inne. Dann kapitulierte ich und ging hinein zu den Gräbern.
    Sofort schienen die Geräusche von der tiefer gelegenen Straße ferner zu klingen, losgelöst, wie der sinnlose Widerhall urbaner Stimmen, deren drängende Klänge die parkähnliche Nekropolis zwar erreichten, aber nicht beherrschten. Von da, wo ich stand, sah es aus, als sei der Friedhof endlos. Er erstreckte sich vor mir wie eine eigene Stadt, und seine zahllosen Grabsteine waren fensterlose Mietshäuser en miniature, in regloser Symmetrie angelegt, lange Boulevards der Toten.
    Ich bewegte mich tiefer in die tröstliche Finsternis hinein, über einen Steinweg, der mit Kirschblüten bedeckt war. Sie wirkten wie dunkler Schnee im Schein der Laternen. Erst wenige Tage zuvor waren dieselben Blüten von den lebenden Tokiotern gefeiert worden. Wie berauscht waren die Menschen hierher geströmt, um in der kurzlebigen, strahlenden Schönheit der Blüten das Pathos widergespiegelt zu sehen, das ihrem eigenen Leben innewohnte. Jetzt jedoch waren die Blüten gefallen, die Feiernden heimgekehrt, selbst der Müll, den sie hinterlassen hatten, war zügig entfernt worden, und der Friedhof gehörte erneut nur den Toten.
    Ich ging weiter, meine Schritte verhalten, voller Respekt vor der drückenden Stille, die mich umgab. Anders als die Stadt rund herum verändert sich Aoyama Bochi nicht, und ich hatte keine Schwierigkeit, dorthin zu finden, wohin es mich zog, obwohl Jahrzehnte vergangen waren, seit ich das letzte Mal hier gewesen war.
    Der Grabstein war schmucklos und schlicht, nur mit der kurzen Erklärung versehen, dass Fujiwara Shuichi von 1912 bis 1960 gelebt hatte und dass alles, was von ihm geblieben war, hier bestattet lag. Fujiwara Shuichi, mein Vater, getötet während der Straßenkrawalle, die Tokio einen schrecklichen Sommer lang erschütterten, als ich noch ein Junge war.
    Ich stand vor dem Grab und verbeugte mich tief, die Handflächen vor dem Gesicht aneinander gepresst, in der buddhistischen Haltung, die Achtung vor den Toten ausdrückt. Meine Mutter hätte gewollt, dass ich ein Gebet spreche, mich am Schluss bekreuzige, und wäre es ihr Grab gewesen, hätte ich das auch getan. Aber ein solches westliches Ritual wäre für meinen Vater zu Lebzeiten eine Beleidigung gewesen, und warum sollte ich jetzt etwas tun, das ihn kränken würde?
    Ich lächelte. Es war schwer, solche Gedanken zu vermeiden. Mein Vater war tot.
    Ich wartete einen Moment, dann setzte ich mich im Schneidersitz auf die Erde. Einige Grabsteine waren mit Blumen in unterschiedlichen Phasen von Frische und Verfall geschmückt. Als könnten die Toten die Sträuße riechen.
    Ein Lufthauch seufzte zwischen den Grabsteinen. Ich stützte die Stirn in die Hände und starrte auf den Boden vor mir.
    Menschen haben Rituale, um mit den Toten Zwiesprache zu halten, Rituale, die eher von den Eigenarten des Individuums geprägt

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