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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Lizenz haben. Manny kam schon seit langem nach Manila und hatte vermutlich einige Beziehungen.
    »Sag mir, ob ich mich umdrehen muss, damit er weiß, dass ich ihn kommen sehe.«
    »Ich glaube nicht. Seine Hände sind leer. Aber er will dich eindeutig checken.«
    Ich wusste, was den Mann wahrscheinlich auf mich aufmerksam gemacht hatte. Nichts, was ich getan habe, sondern etwas, was ich bin.
    Kein Mensch, dem Gewalt tief vertraut ist, kann die Anzeichen dafür gänzlich verschleiern. Diejenigen, bei denen es offensichtlich ist, sind die ganz harten Fälle. Männer, die den ganzen Mist durchgemacht haben und nicht die Fähigkeit - und erst recht nicht die Lust - haben, die bedrohliche Aura zu verbergen, die einen umgibt, wenn man brutale Gewalt überlebt hat. Diese Sorte haben die stärkste, deutlichste Ausstrahlung und sind am leichtesten auszumachen.
    Es gibt noch einen weiteren Typ, der genauso viel, wenn nicht noch mehr Erfahrung mit Gewalt hat, der sich aber über den Geruch, der ihm jetzt anhaftet, besser im Klaren ist und ihn besser verhüllen will und kann. Dieser Typ, zu dem der durchschnittliche Auftragskiller gehört, ist schwerer auszumachen, aber häufig dennoch zu erkennen, nicht weil er eine besondere Ausstrahlung hat, sondern weil er überhaupt keine hat. Diese Leute sind sich der Gefahrensignale bewusst, die sie aussenden, und als Reaktion oder gewissermaßen als Überreaktion darauf nehmen sie sich völlig zurück. Innerhalb der Energie eines bestimmten sozialen Umfeldes wirken diese Männer wie eine Leerstelle, ein fehlendes Etwas, wie Grau in einem farbigen Gemälde oder ein schwarzes Loch vor einem Sternenhimmel.
    Der dritte Typ ist am schwersten zu erkennen und wird meistens von den ersten beiden und erst recht von Zivilisten übersehen. Er umfasst Männer, die mit Gewalt auf vertrautem Fuße stehen, die aber auch von Natur aus Künstler der Tarnung sind, Chamäleons. Diese Männer verbergen ihre Raubtierzeichnung nicht, indem sie ihre Ausstrahlung zurücknehmen, sondern indem sie sich mit einem neuen Persönlichkeitsbild tarnen, das sie bei Zivilisten wahrnehmen und imitieren und wie ein Hologramm projizieren. Ich kenne diesen Typ, weil ich selbst dazugehöre.
    Aber selbst dieser dritte Typ ist mitunter erkennbar, in bestimmten Augenblicken, wenn du weißt, wonach du suchen musst. Ich kann unmöglich genau in Worte fassen, wodurch sich die Chamäleons verraten. Manchmal ist es irgendwas in den Augen, etwas, das nicht zu der Kleidung passt, dem Gang, der Ausdrucksweise. Manchmal ist es eine leichte Ungereimtheit am Rande des Persönlichkeitsbildes, etwas, das nicht ganz so perfekt zu der Fassade passt. Was es auch ist, es lässt sich nur intuitiv erspüren, nicht bewusst benennen. Und wie ich da so mit meinen aufgewühlten Gedanken in dem Restaurant saß, hatte sich wohl in meiner Miene irgendetwas widergespiegelt.
    Und genau das hatte der Mann wahrgenommen, der nun auf mich zukam, und jetzt wollte er der Sache auf den Grund gehen.
    Leute in meiner Branche lassen niemanden aus dem toten Winkel an sich herankommen. Wenn ich jetzt also nicht den Kopf drehte oder ihm sonst wie zu verstehen gab, dass ich ihn wahrgenommen hatte, kam er vielleicht zu dem Schluss, dass sein Instinkt ihn getäuscht hatte, dass ich doch nur ein harmloser Zivilist war. Vielleicht ging er dann einfach weiter, nachdem er kurz aus einigem Abstand geschnuppert hatte. Oder aber, falls er mir doch zu nahe kam und mich zum Handeln zwang, wäre er vielleicht nicht so gut auf meine Reaktion vorbereitet.
    »Wie nahe?«, fragte ich, ohne die Lippen zu bewegen. Ich nahm ein Tütchen Zucker, riss es auf und goss den Inhalt in die Kaffeetasse. Wer nicht auffallen möchte, sollte banale Dinge tun und, wenn möglich, banale Dinge denken. Fragen Sie mich nicht warum, aber es ist so.
    »Acht Meter. Sieben. Sechs ...«
    »Hände?«
    »Noch leer. Vier Meter.«
    Bei vier Metern hätte ich seine Schritte hören müssen. Entweder war er jemand, der von Natur aus leise ging, oder er tat es bewusst. So oder so, ich wusste, ich hatte es hier nicht bloß mit einem simplen Bodyguard zu tun, wie man ihn bei irgendwelchen Sicherheitsdiensten mieten kann.
    »Drei Meter. Ist stehengeblieben, neben einer großen alten Topfpflanze als Deckung. Hände noch immer leer. Ich glaube, er weiß nicht, was er von dir halten soll, aber er will auch bestimmt nicht mit dir Freundschaft trinken.«
    Ich rührte den Zucker im Kaffee emsig mit einem Holzstäbchen um und

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