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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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dachte, Hmmm, hoffentlich schmeckt der jetzt, ich trinke am liebsten schwarzen Kaffee, aber der hier ist ziemlich bitter, vielleicht ist es Arabica, ja, dunkel geröstet, aus welchem Land der wohl kommt...
    Ich hörte wieder Dox' Stimme: »Alles klar, er haut wieder ab. Hält dich anscheinend doch für uninteressant.«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee. Ja, mit dem Zucker war er richtig gut. »Bin ich ja auch«, sagte ich. Ich hörte ihn lachen.
    Als sich der Bodyguard entfernt hatte, stand ich auf und schlurfte wie ein typischer japanischer sarariman davon. Ich spürte, dass er mich beobachtete, wusste, dass er meinen Abgang als weitere Bestätigung dafür sah, dass ich keine Bedrohung darstellte.
    Am hinteren Ende des Restaurantbereichs, mit der Spielhalle zwischen uns, verschwand ich auf der Herrentoilette. Es war ein rechteckiger Raum, etwa fünf mal sechs Meter groß, mit dem Eingang an einer der kurzen Seiten. Drei Urinale entlang der langen Wand, zwei Kabinen gegenüber, Waschbecken an der Verbindungswand. Zwei Filipino-Teenager zogen gerade den Reißverschluss an ihren Hosen zu, als ich hereinkam, und verließen gleich darauf den Raum.
    Ich ging in die Eckkabine und schloss die Tür.
    »Ich bin drin«, sagte ich. »Sag mir, wenn er kommt.«
    »Alles klar.«
    Ich wartete zehn Minuten. Dann: »Sie stehen alle drei auf. Sieht so aus, als würde er sich von der Frau und dem Jungen verabschieden. Ja, die beiden nehmen die Rolltreppe nach unten.«
    Sie trennen sich. Gut.
    »Der Bodyguard bleibt aber bei ihm. Ist ja klar.«
    »Ja, klar.«
    Ein Augenblick verging. Dann: »Er kommt in deine Richtung. Ich glaube, du hattest den richtigen Riecher.«
    Ich spürte wieder eine Adrenalinwelle heranrollen, größer als die erste. »Mit dem Bodyguard?"
    "Nein, der bleibt zurück. Okay, unser Mann geht jetzt den Korridor hinunter Richtung Herrentoilette. In zehn Sekunden ist er drin.«
    »Gut.«
    Ich hörte, wie die Tür aufging. Ich holte tief Luft, dann atmete ich langsam durch den Mund aus, und die sanft und leise ausströmende Luft stand in krassem Gegensatz zu meinem laut hämmernden Herzen.
    Ich spähte durch die Ritze der Kabinentür und sah Manny. Er trat an ein Urinal. Er hatte mir den Rücken zugewandt.
    Ich öffnete die Kabinentür. Ich machte zwei leise Schritte auf ihn zu.
    Dox, in meinem Ohr: »Mist, Partner, die Frau und der Junge sind wieder da. Der Junge geht in deine Richtung. Hat wohl zu seiner Mom gesagt, er muss mal.«
    Mist, Mist.
    Ich wollte zurück in die Kabine. Ich hörte nichts, aber das Adrenalin dämpfte mein Gehör, und es musste wohl irgendein Geräusch gegeben haben, das mir entgangen war, denn Manny drehte den Kopf und sah mich an.
    In dem Augenblick bevor ich töte, sehe ich der Zielperson nicht ins Gesicht. Ich richte die Augen in der Regel auf den Torso, auf die Bewegung von Schultern, Hüften und Händen. So nehme ich zum einen Verteidigungsbewegungen wahr und muss zum anderen nicht die Augen der Zielperson sehen, die Miene, diese verdammte Menschlichkeit.
    Aber diesmal sah ich hin. Vielleicht war es morbide Neugier. Vielleicht war es fehlgeleiteter Instinkt, etwas, das unter anderen Umständen nobel gewesen wäre, der Wunsch, mich den Folgen meiner Tat zu stellen. Wie auch immer, ich sah hin.
    Unsere Blicke trafen sich. In seinen Augen sah ich Ernst, vielleicht eine gewisse Verwunderung. Kein Erkennen. Noch keine Furcht.
    Die Tür ging auf. Es war der Junge.
    Und dann erstarrte ich.
    Anders kann man es nicht nennen. Meine Gedanken waren klar. Genau wie meine Wahrnehmung. Aber ich konnte meinen Körper nicht bewegen. Ich war wie angewurzelt. Na los, beweg dich!, dachte ich absurderweise.
    Nichts geschah.
    Ich spürte, wie mir Schweißperlen auf die Stirn traten. Aber ich konnte mich noch immer nicht rühren.
    Manny sah mich an, seine Verwunderung schlug in Beunruhigung um, dann in Angst, dann in Entschlossenheit. Er zog seinen Reißverschluss zu, und seine rechte Hand tauchte in die rechte Hosentasche. Das Wort Messer! schoss mir durch den Kopf, aber meine Gliedmaßen waren noch immer wie versteinert.
    Aber Manny hatte anscheinend nach einer Art Panikknopf gegriffen, nicht nach einem Messer, denn eine Sekunde später hörte ich Dox im Ohr: »Mist. Partner, da stimmt was nicht. Der Bodyguard kommt angerannt.«
    Ich konnte nicht antworten. Ich hörte ihn sagen: »Bist du da, Mann? Sag was!« Dann: »Verdammt, ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber ich schätze, du kannst nicht

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