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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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war keine Zeit. Und ich begriff noch immer nicht, was da drin mit mir los gewesen war.
    »Glaubst du, die Typen waren von der Agency?«, fragte er. »Die waren verdammt schnell zur Stelle und haben sich bewegt wie Profis.«
    Wir hatten das aufgeregte Gewimmel hinter uns gelassen; die nächste Rolltreppe, dann waren die Ausgänge nur noch wenige Schritte entfernt.
    »Das gehört zu den Dingen, die wir rausfinden müssen«, sagte ich. »Aber zuerst müssen wir raus aus Manila. Ich glaube nicht, dass Manny zur Polizei geht - das würde zu viel Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Aber ich will nicht hierbleiben und es drauf ankommen lassen.«
    Wir erreichten die Rolltreppe und blieben kurz stehen.
    »Du fährst nach unten«, sagte ich. »Ich will die Pistole und das Magazin loswerden. Ich steck sie auf einem der Klos in den Spülkasten. Wenn ich Glück hab, finde ich in einem Putzwagen irgendein Bleichmittel oder sonst was in der Art und wisch die Sachen vorher damit ab.«
    Er grinste wie ein Schuljunge, der mit einem Streich oder irgendeiner anderen Heldentat angeben will. »Schätze, mein Date mit der Frau von der Snackbar muss ich wohl absagen«, sagte er.
    In diesem verrückten Augenblick war ich hin und her gerissen, ob ich lachen oder ihn erwürgen sollte. Ich blickte ihn einen Moment lang an, schüttelte den Kopf, und in der Sekunde, bevor ich ging, wurde sein Grinsen sogar noch breiter.

 
4
    IN DER ANKUNFTSHALLE des Tel Aviver Flughafens Ben Gurion herrschte lärmendes Gedränge. Touristen in T-Shirts und Shorts schoben und drängelten sich zusammen mit Charedim -»die vor Gottes Wort zittern« - in ihren schwarzen Anzügen und Hüten. Durchsagen auf Englisch und Hebräisch hallten von den langen Betonwänden wider. Die Sonne ging hinter den Fenstern nach Westen unter und ließ mit ihrem schräg einfallenden orangeroten Glanz das Innere einen Augenblick lang kopfschmerzengrell erstrahlen.
    Delilah fühlte sich nicht mehr wohl hier. Ihr Arbeitgeber ermöglichte ihr zwar, wenigstens einmal im Jahr ihre Eltern und andere Verwandte zu besuchen, doch die Jahre, die sie bereits mit einer anderen Identität im Ausland lebte, hatten sie unerbittlich weiter und weiter aus der Levante weggezogen, bis sie schließlich das Land aus den Augen verloren hatte. Es war ihre Heimat, aber sie hatte eigentlich nichts mehr hier zu suchen. Die aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen, die mit jedem dieser Besuche einhergingen - falsche Papiere, Tarnung, Gegenüberwachung - waren der beste Beweis dafür. Ihr war inzwischen wohler dabei zumute, in Paris auf Französisch ein pain au chocolat zu bestellen, als in Tel Aviv einem Taxifahrer auf Hebräisch das Fahrtziel zu nennen. Sie sagte sich, dass das die natürliche und vielleicht sogar wünschenswerte Folge ihres Engagements für die Arbeit war, aber es war dennoch ein seltsames Gefühl. Sie fragte sich manchmal, ob andere in ihrer Branche von ähnlichen Gefühlen heimgesucht wurden, wusste aber, dass es klüger war, mit niemandem darüber zu sprechen. Jedenfalls war ihr klar, dass dieses wachsende Gefühl der Entfremdung von Dingen, die doch einst untrennbar mit ihr verbunden zu sein schienen, in anderen Unternehmen lediglich als Bestandteil der Betriebskosten gelten würde.
    In ihrer Branche war sie für sikul memukad zuständig, wie die Medien ihres Landes es gern nannten, was so viel wie »gezielte Vereitelung« bedeutete, ein Ausdruck, der ihr lieber war als das unverblümtere »Töten«. Ersteres war nach ihrem Dafürhalten anschaulicher und bezeichnete den Zweck, nämlich Leben zu retten, und nicht die Mittel, nämlich Leben auszulöschen. Sie gehörte nicht zu denen, die den Finger an den Abzug legten, was sie zuweilen bedauerte. Schließlich hatten die Männer mit den Schusswaffen den leichteren Teil der Arbeit. Sie mussten die Zielpersonen nicht persönlich kennenlernen. Sie mussten nicht mit ihnen Zeit verbringen. Und sie mussten erst recht nicht mit ihnen schlafen. Sie kamen nur ein einziges Mal in ihre Nähe, nur für einen kurzen Augenblick, und dann waren sie wieder auf und davon. Emotional gesehen war das der Unter- schied zwischen der Trennung nach einem One-Night-Stand einerseits und der Auflösung einer Ehe andererseits.
    Dennoch, sie war insgeheim stolz auf die Opfer, die sie brachte, stolz, dass sie das alles aus persönlichen Gründen auf sich nahm und nicht, weil sie von ihresgleichen dafür Anerkennung erntete. Anerkennung war ein merkwürdiger Begriff. Traurige

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