Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
könnte.
Ich checkte meine Flanken.
Linke Flanke: Ein Weißer, Ende vierzig, allein an einem der Tische auf dem Gehweg.
Rechte Flanke: Zwei Thai-Männer, Mitte zwanzig und so muskulös wie der erste Typ, beobachteten mich mit einer gewissen Intensität und standen geschmeidig von ihrem Tisch auf. Würde ich damit vor Gericht durchkommen? Euer Ehren, mein Partner verließ das Lokal nach einem Kontakt mit einem Ladyboy. Ich bin kurz nach ihm auf die Straße getreten. Jemand fragte mich, ob ich ein Taxi wollte, und die Männer rechts von mir beobachteten mich mit »diesem Blick«, wenn Sie wissen, was ich meine. Deshalb habe ich sie getötet.
Natürlich würde ich damit nicht durchkommen. Aber was Leute wie mich von lebenden Zivilisten und toten Profikillern unterscheidet, das ist unter anderem die absolute Bereitschaft zu entschlossenem Handeln aufgrund von Beweisen, für die du in der feinen Gesellschaft verlacht und von einem Richter ins Gefängnis gesteckt würdest. Wenn du etwas weißt, dann weißt du es. Du wartest nicht auf weitere Beweise. Du handelst. Wenn du falsch handelst, lebst du mit den Konsequenzen. Wenn du gar nicht handelst, bist du tot.
Der Mann vor mir war jetzt zwei Meter entfernt. »Sie brauchen Taxi?«, fragte er wieder. Seine rechte Hand war ausgestreckt, wies mir den Weg zum Wagen.
»Gerne«, sagte ich. Ich trat auf ihn zu, als wollte ich rechts an ihm vorbei. Er lächelte, ein Lächeln, das freundlich wirken sollte, das für mich aber vollkommen falsch aussah.
Ich lächelte selbst, als wollte ich sagen: »Nett, dass Sie mir helfen, ich wüsste sonst gar nicht weiter.« Er nickte, in der ruhigen Gewissheit, dass das Ganze ein Kinderspiel werden würde.
Aber es würde kein Kinderspiel werden. Im Gegenteil.
Kurz bevor ich auf gleicher Höhe mit ihm war, packte ich sein rechtes Handgelenk mit meiner linken und gab seinen Arm an meine rechte Hand weiter. Ich hakte mich unter seinem Trizeps ein und zerrte ihn an mir vorbei. Mein Gewicht auf seinem Arm zog ihn vorwärts, und als ich mich im Uhrzeigersinn hinter ihn schob, sah ich, wie sein Mund vor Überraschung aufklappte. Offenbar passte meine Reaktion nicht in den vorgesehenen Plan.
Ich griff mit der linken Hand um seine Taille herum und packte sein rechtes Handgelenk. Ich zog ihn mit einem Ruck an mich, und er stieß ein Grunzen aus, als ihm die Luft aus der Lunge gepresst wurde. Wir blickten jetzt beide in Richtung Jazzclub. Die beiden Männer, die von dem Tisch aufgestanden waren, befanden sich inzwischen nur noch zwei Meter links von uns. Ich sah, wie sich ihre Gesichter verhärteten. Ihre Hände waren leer, und ich begriff, dass sie mich entführen wollten, nicht töten. Sonst hätten sie Waffen gehabt und sie bereits benutzt.
Ich holte tief Luft und brüllte: »Dox!« so laut ich konnte, teils, um ihn zu warnen, teils, weil er mir zu Hilfe kommen sollte.
Die beiden Männer sprangen auf mich zu.
Der Kerl, den ich festhielt, schob die Beine weiter auseinander und ließ sein Gewicht sacken, um einen festeren Stand zu haben, was mir verriet, dass er ausgebildet war. Er versuchte, mir einen
Kopfstoß zu verpassen, doch mein Gesicht war zu weit rechts und fest gegen seine Schulter gepresst. Ich griff nach unten zu meiner rechten vorderen Tasche, wo das Messer war. Mit einer einzigen Bewegung zog ich es aus der Halterung, klappte es auf und stieß es ihm von hinten durch die gespreizten Beine ins Perineum und in die Hoden.
Der menschliche Schrei kann eine Tonhöhe erreichen, die unmöglich zu ignorieren ist, die sich direkt in die primitivsten Bereiche des Gehirns bohrt. Deine Haare stellen sich auf, dein Hodensack zieht sich zusammen, deine Füße bleiben wie angewurzelt stehen. So ein Schrei entfuhr diesem Mann, als mein Messer sein Ziel fand, und genau so einen Schrei hatte ich gewollt. Seine Partner, die sich von links näherten, bremsten unwillkürlich ab. Ihr bewusster Verstand dachte: Was um Himmels willen war das? Ihr unbewusster Verstand schrie: Ist doch egal, was das war! Hau ab! Beide blieben knapp einen Meter von mir entfernt stehen.
Ich wartete nicht ab, bis ihre Synapsen wieder funktionierten. Ich stieß den Mann, den ich festhielt, in sie hinein und drehte mich nach rechts, um abzuhauen. Aber aus der Richtung kam ein weiterer Thai, so schnell, dass er jeden Augenblick bei mir war. Er musste in der Gasse rechts von der Bar gestanden haben. Der Schrei, der seine Kumpel hatte erstarren lassen, hatte bei ihm nicht die
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