Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
aufzuspringen; oder seine Position, in meinem toten Winkel, als ich aus dem Club kam; oder jetzt sein ruhiger und entgegenkommender Ausdruck der Besorgnis, während alle anderen Unbeteiligten wie versteinert dasaßen oder wegliefen.
Er hatte nichts Verdächtiges an sich, absolut nichts. Ich hatte ihn zu Anfang sogar völlig übersehen. Vielleicht gehörte das mit zum Plan: Ich hielt nach weiteren Thais Ausschau, nicht nach einem Weißen. Vielleicht aber lag es nur daran, dass dieser Perry Mason hier einfach sehr gut war.
Er kam weiter auf mich zu. Seine Hände waren leer ... oder hatte er da irgendetwas in seiner Linken? Ich war mir nicht sicher. Ich rief: »Bleiben Sie stehen!«
Er schüttelte den Kopf und sagte: »Wieso denn? Ich will Ihnen doch bloß helfen.« Und kam noch näher.
Wenn jemand auf dich zukommt, und du ihm sagst, er soll nicht näher kommen, und das mit entsprechend ernster und eindringlicher Stimme und vor allem in einer Atmosphäre, die aufgeheizt ist, weil du ein Messer in der Hand hast, mit dem du gerade zwei Menschen getötet hast, und derjenige trotzdem weiter auf dich zukommt, dann hast du es nicht mit jemandem zu tun, der nur um Feuer für seine Zigarette bitten will. Du hast es mit jemandem zu tun, der vorhat, dir etwas zu nehmen, von dem du dich lieber nicht trennen würdest, und das könnte sogar dein Leben sein. Und dass er deiner Aufforderung nicht Folge leistet, ist mehr als genug Beweis dafür und zeigt dir, wie du damit umgehen solltest.
Ich kontrollierte mit einem raschen Rundumblick die unmittelbare Umgebung. Bis auf die schockierten Zuschauer, von denen sich jetzt einige aus ihrer Erstarrung lösten und das Weite suchten, waren wir zwei offenbar allein. Ich machte einen Schritt auf ihn zu.
Plötzlich überlegte Perry Mason es sich anders. Er wich zurück. Aber es war kein echter Rückzug, bloß eine taktische Pause. Denn während er sich geschmeidig rückwärts bewegte, griff er mit der freien Hand ebenso geschmeidig in seine rechte Hosentasche und förderte ein Klappmesser zutage. Als er es herauszog, öffnete es sich schon, und die fließende Leichtigkeit seiner Bewegung verriet mir, dass der Mann kein Dilettant war, sondern jemand, der lange, hart und ernsthaft trainiert hatte, um diesen geübten und sicheren Umgang mit dem Messer zu entwickeln, den ich gerade gesehen hatte.
Ich blieb stehen. Ich war mir nicht sicher, ob er mir mit dieser Demonstration nur Respekt einjagen wollte oder es tatsächlich auf einen Kampf anlegte. Mich zu töten war vielleicht der Notfallplan, falls es nicht klappte, mich zu entführen. Aber das war reine Spekulation. Trotzdem wollte ich nicht mit ihm kämpfen. Ich wollte bloß weg. Wenn ich ihn dafür erst töten musste, von mir aus, aber da er bewaffnet war, erschien mir diese Lösung nicht mehr als die einfachste Möglichkeit.
Er bewegte sich im Halbkreis auf mich zu. Seine Beinarbeit war flüssig und ausbalanciert. Er war einen Tick zu nah, als dass ich mich ungefährdet hätte umdrehen und weglaufen können. Ich bewegte mich mit ihm, und achtete dabei auf meine Flanken, falls die beiden, die sich aus dem Staub gemacht hatten, es sich doch wieder anders überlegten. Ich hielt mein Messer mit einem Säbelgriff in der rechten Hand, dicht vor meiner Taille, die linke Hand hatte ich geöffnet und halb zur Seite gestreckt, um seinen Angriff abzublocken und zu stoppen, falls es einen geben würde. Ich wusste nicht, ob ich es überleben würde, sollte es dazu kommen. Aber ich wusste sehr genau, dass er es auf keinen Fall überleben würde.
Ich hörte hinter mir eine Stimme dröhnen. »Partner, runter!«
Es war Dox. Ich ließ mich in die Hocke fallen, das Messer dicht am Körper, und als ich mich umdrehte, sah ich den riesigen Scharfschützen mit einem Holzstuhl heranstürmen, den er über den Kopf gehoben hatte. Ich duckte mich noch tiefer. Er holte aus und schleuderte den Stuhl mit einer Wucht von sich, als würde eine F-14 vom Deck eines Flugzeugträgers katapultiert.
Wenn ein Mann von Dox' Größe und Kraft mit einem Stuhl wirft, sollte man Gott weiß wo sein, aber auf jeden Fall nicht in der Flugbahn des Stuhls. So gesehen war Perry Mason ein Pechvogel. Der Stuhl erwischte ihn mitten in der Brust und schmetterte ihn zu Boden.
Dox und ich waren augenblicklich auf ihm. Dox hob das Messer und noch irgendwas vom Gehweg auf, das ich meinte, zu Anfang in Perry Masons linker Hand gesehen zu haben. Ich kniete mich auf seine Brust und wollte ihm
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