Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
auffinden würden, wäre ihnen klar, dass er vor seinem Tod noch verhört worden war. Also würden sie ihre Pläne ändern, um den Schaden zu minimieren, der dadurch entstanden sein könnte, dass ihr Mann unter Druck Geheimnisse verraten hatte. Zugegeben, er hatte in Wahrheit nur sehr wenig verraten, aber immerhin hatten wir jetzt den Schlüssel zu seinem Hotelzimmer. Das eröffnete einige interessante Möglichkeiten, die ich mir natürlich nicht verbauen wollte. Verdammt, es war eine Zwickmühle. Aber bevor ich mir eine Lösung einfallen lassen konnte, fing Perry Mason an zu schreien. Nicht vor Schmerz oder um Hilfe herbeizurufen, sondern vor Wut und Verzweiflung.
Dox hielt dem Mann sofort den Mund zu, aber das Geschrei gab für mich den Ausschlag. Wir waren hier ungeschützt, und die Sache hatte uns schon viel zu lange aufgehalten. Wir mussten schleunigst weg.
Ich blickte Dox an. Er nickte, und ich meinte, dass er es verstand. Ich trat einen halben Schritt zurück und rammte mein Knie in den Unterleib des Mannes. Sein Schreien ging in ein Stöhnen über, und sein Körper wollte nach vorn einknicken, aber Dox hielt ihn weiter fest. Ich nahm das Messer wie einen Eispickel, die Klinge nach unten, und stieß es ihm in den oberen linken Brustmuskel, knapp unter dem Schlüsselbein. Mit einem diagonalen Schnitt nach unten durchtrennte ich die Schlüsselbeinarterie.
Ich zog Dox beiseite. Der Mann fiel auf die Knie. Er stieß ein langes, qualvolles Stöhnen aus und kippte nach vorn, schaffte es aber noch, die Arme auszustrecken und sich abzufangen, bevor sein Kopf aufs Pflaster schlug. Viel Blut war nicht zu sehen. Die Arterie war komplett durchschnitten, und das Blut strömte überwiegend in die Brust und in die Lunge, aber er würde mit Sicherheit in Sekunden bewusstlos sein und kurz danach tot. Ich trat zu ihm, schnitt ihm mit dem Messer zweimal in die Unterarme, und er fiel aufs Gesicht. Er blieb liegen, wand sich und stöhnte.
Ich sah, dass ich Blut an die Hände bekommen hatte, ob aus seinem Mund oder aus der Brust, wusste ich nicht. Ich zog ein Taschentuch aus meiner Gesäßtasche und wischte mir die Hände, so gut es ging, sauber. Ich reichte Dox das Taschentuch und signalisierte ihm, es mir gleichzutun. Er hatte die Augen weit aufgerissen und wirkte ein wenig benommen, aber er benutzte das Taschentuch. Wir würden uns später gründlicher sauber machen.
Dann schaute ich durch die offene Schiebetür des Lieferwagens und sah, wonach ich suchte: ein Handyortungsgerät, mit Isolierband an einem der Rücksitze befestigt. Ansonsten war das Innere leer. Ich öffnete mit dem Taschentuch die Beifahrertür, dann das Handschuhfach, wo ich irgendeinen Hinweis auf Perry Masons Identität zu finden hoffte. Ich entdeckte einen Erste-Hilfe-Kasten. Ich öffnete ihn und sah Arzneifläschchen mit Atropin und Naloxon und Spritzen. Interessant. Aber kein Formular der Autovermietung oder sonst irgendwas mit einem Namen darauf.
»Komm«, sagte ich zu Dox, der die letzte Minute auffällig ruhig gewesen war. »Wir müssen weg hier.«
Wir gingen rasch über die Straße auf die Seite, wo der Lumpini Park lag und wo es beruhigend dunkel war. Während wir weitereilten, schielte ich zum Bürgersteig vor den Bars hinüber. Die Gäste waren alle verschwunden. Die beiden Männer auf dem Bürgersteig rührten sich nicht. Wir bogen in eine Sub-Soi, die parallel zur Rajdamri Road verlief, gingen dann in südlicher Richtung weiter und hielten nach einem Taxi Ausschau. Im Widerschein eines halb kaputten Ladenschildes blieb ich stehen und sah Dox an, der seit rekordverdächtig langer Zeit kein Wort von sich gegeben hatte. »He«, sagte ich leise. »Sieh mich an. Ist alles in Ordnung mit mir? Hab ich irgendwo Blut? Oder sonst was?«
Er musterte mich von oben bis unten, schüttelte dann den Kopf. »Nein. Alles in Ordnung.«
Ich nahm ihn ebenfalls in Augenschein und nickte. »Bei dir auch.«
Er erwiderte wieder nichts. Ich hätte nie gedacht, dass es mich beunruhigen könnte, wenn Dox zu still war, aber das sah ihm gar nicht ähnlich.
»Stimmt was nicht?«, fragte ich.
Er schloss die Augen, holte zweimal tief Luft, beugte sich vor und übergab sich.
Ich blickte mich um. Auf diesem Straßenabschnitt waren keine Fußgänger unterwegs. Selbst wenn, es hätte sie wohl kaum übermäßig interessiert. Ein farang, der ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hatte, war kein ungewöhnlicher Anblick.
Als er fertig war, wischte er sich den Mund ab und
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