Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Publikum.«
Ich schob die HK ins Holster und führte Dox weiter. Ich wusste nicht, was für Verletzungen er hatte, aber er konnte sich nur mühsam bewegen, auch abgesehen von der Einschränkung durch die Ketten. Ich brauchte eine volle Minute, um ihn die paar Stufen hochzubugsieren.
Als wir an Deck kamen, sah ich, dass Boaz recht hatte. Auf einem halben Dutzend Boote standen Gaffer. Auch auf den Piers waren Leute stehen geblieben, um zu sehen, was da los war. Komm schon, dachte ich. Komm schon, komm schon …
Boaz streckte eine Hand aus und half Dox von Bord. Die Ketten waren dick, aber gegen einen Bolzenschneider von über einem Meter Länge hatten sie keine Chance. Boaz setzte ihn an, und drei gutplatzierte Schnitte später waren Dox’ Hände und Füße wieder frei beweglich. Um die Hand- und Fußschellen selbst konnten wir uns später kümmern.
Boaz hatte die Strahlenkanone bereits zusammengepackt. Er hängte sich den Rucksack über die Schulter, während ich auf der Suche nach einer möglichen Gefahr den Blick über die Menschenansammlung gleiten ließ, bislang aber nur Schaulustige sah. Dann hasteten wir los Richtung Kai, Dox’ schwere Arme um unsere Schultern. Seine Ketten rasselten bei jedem Schritt.
»Wir haben einen Verletzten!«, rief ich den Gaffern zu. »Wir brauchen einen Arzt!« So, damit müssten wir eigentlich wie die Guten aussehen, was die Chancen verringerte, dass uns jemand den Rückzug verstellte. Theoretisch.
Wir bogen nach links auf den Kai und gingen weiter. Ich sah, dass Kanezaki mit dem Van bis an den Rand des Kais zurückgesetzt hatte. Offenbar hatte Boaz ihn herbestellt. Aber bei Gott, wir brauchten elend lange. Warum zum Teufel musste das Boot auch ausgerechnet am äußersten Pier liegen?, dachte ich. Murphys Gesetz. Nicht zu fassen.
Alle, an denen wir vorbeikamen, starrten uns an. Keiner sagte etwas oder mischte sich ein.
Gut fünfzehn Meter von der Zufahrt entfernt dachte ich schon, dass wir es schaffen würden. Ich konnte an den Auspuffabgasen sehen, dass Kanezaki den Motor laufen hatte.
Zwei uniformierte Sicherheitsbedienstete kamen durch die Türen vom Clubhaus auf den Kai gestürmt. Sie sprinteten auf uns zu. Beide trugen eine Pistole, noch im Holster.
»Dahinten wird geschossen!«, rief ich mit hoher Stimme. »Schnell!«
Eine Sekunde lang dachte ich, sie würden drauf reinfallen. Sie blickten den Kai hinunter, und ich spürte, wie sich ihre Aufmerksamkeit verlagerte. Dann kehrten ihre Augen zu uns zurück, und ihre Mienen verhärteten sich.
Trotz seiner Bedenken gegen Regelverstöße im Einsatz hatte Boaz seine Pistole genauso schnell gezogen wie ich meine. »Lasst eure Waffen schön stecken«, sagte ich laut und ruhig, die HK auf den Mann vor mir gerichtet, während Boaz den anderen in Schach hielt.
Keiner von ihnen sagte ein Wort. Ihre Münder klappten auf, und ihre Hände hoben sich langsam. Wie viel man ihnen auch dafür zahlen mochte, dass sie im Yachtclub für »Sicherheit« sorgten, das hier war garantiert nicht Inhalt der Stellenbeschreibung gewesen.
»Rüber ans Wasser«, sagte ich. »Reinspringen.« Keiner rührte sich. Ich zielte mit der Mündung des gigantischen HK-Schalldämpfers direkt ins Gesicht des Typen vor mir, plötzlich ganz zufrieden mit der einschüchternden Größe der Waffe, und rief: »Sofort!«
Er sprang, ohne noch ein Wort von sich zu geben. Der andere folgte gleich hinterdrein.
»Sehr human von Ihnen«, sagte Boaz, und wir hasteten weiter. Die automatische Seitentür von Kanezakis Van glitt auf. Wir halfen Dox hinein und sprangen dann ebenfalls rein. Kanezaki fuhr sofort los.
»Haben Sie ihn erwischt?«, fragte mich Boaz.
Einen Augenblick lang wusste ich nicht mal, von wem er sprach. »Wen?«
»Hilger.«
Ich schüttelte den Kopf. »Der war nicht an Bord.«
»Verdammt«, sagte er. »Delilah hat doch gesagt …« Er stockte und lächelte. »Na, da hat sie sich wohl geirrt.«
»Geheimdienstinfos«, sagte ich. »Was will man da machen.«
Er lachte. »Ich glaube, zwischen Ihnen beiden läuft es besser, als Sie zugeben wollen.«
Dox lag auf dem Rücken. Mit dem Bolzenschneider befreite ich ihn von den Fesseln. Während ich damit beschäftigt war, rief Boaz Naftali an. Er war eine halbe Meile hinter uns, und es hatte niemand unsere Verfolgung aufgenommen.
Kanezaki hielt am Straßenrand. Ich entfernte die falschen Kennzeichen, und wir fuhren weiter.
Kurz darauf meldete sich Naftali. Noch immer alles klar.
Es sah ganz so aus, als ob
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