Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
gestolpert kam, damit ich schießen konnte. Nichts geschah. Sofern überhaupt möglich, wurde das Geschrei noch schlimmer.
Am Rande meines Gesichtsfeldes sah ich auf den Nachbarbooten Bewegung. Mit einem Blick nach links und rechts vergewisserte ich mich, dass keine Gefahr bestand. Es waren Zivilisten, die jetzt herüberschauten, um zu sehen, was der Grund für das Gebrüll war.
»Was ist denn da los?«, rief ein westlich aussehender Mann von dem Boot zu meiner Linken.
»Polizeieinsatz, Sir«, rief ich in meiner besten Befehlsstimme. »Bitte bleiben Sie an Bord Ihres Bootes und gehen Sie in Deckung. Es könnten Schüsse fallen, und ich möchte nicht, dass Sie oder Ihre Angehörigen verletzt werden.«
Der Mann verschwand ohne ein weiteres Wort.
Das Geschrei hielt an. Verdammt, wieso flüchten die denn nicht von Bord?
»Ausschalten!«, sagte ich. »Die müssen unter Deck festsitzen. Ich geh rein.«
»Okay, das Ding ist aus«, hörte ich ihn sagen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er eine Pistole aus einem Bauchgurt zog. Ich drehte mich halb zu ihm um, aber er zielte mit der Waffe Richtung Boot, nicht auf mich.
»Bleiben Sie hier«, sagte ich. »Könnte sein, dass wir noch mal Hitze brauchen.« Ich sprang aufs Deck und hastete zur Treppe.
Das Schreien war jetzt verebbt. Ich blieb oben an der Treppe stehen, spähte kurz nach unten und zog den Kopf zurück. Da meine Augen an die Helligkeit draußen gewöhnt waren, konnte ich unten im Dämmerlicht nichts erkennen. Ich nahm die Sonnenbrille ab und steckte sie in die Tasche.
Wieder ein rascher Blick. Nichts. Auch kein weiteres Geschrei.
Es waren nur sechs Stufen. Ich übersprang sie alle mit einem Satz und landete in der Hocke auf dem Unterdeck. Ich wirbelte herum, die Pistole schussbereit vor mir. Noch immer nichts. Ich befand mich jetzt in einem schmalen Gang, an dem drei Türen lagen, alle geschlossen, alle rechts von mir, alle mit einem kleinen Fenster.
Ich schlich mich zu der ersten und lugte rasch durch das Fenster. Nichts.
Ich überprüfte das zweite auf die gleiche Weise. Wieder nichts.
Ich spähte durch das dritte. Dox lag auf dem Rücken, in Ketten. Ein Glatzkopf mit blutverschmiertem Gesicht taumelte mit einem Messer in der Hand auf ihn zu.
Ich drückte die Klinke. Abgeschlossen. Verdammt.
Ich trat zur Seite, schloss ein Auge, damit ich, falls ich von Splittern getroffen würde, nur halb blind wäre, hob die HK und feuerte dreimal rasch hintereinander auf die Türverriegelung. Die HK flüsterte und zuckte in meiner Hand. Holz explodierte, und Splitter flogen an mir vorbei.
Ich machte einen Schritt nach hinten und trat mit voller Wucht direkt unter die Klinke. Die Tür sprang nach innen auf. Der Glatzkopf fuhr zu mir herum. Ich schoss ihm zwei Kugeln in die Brust. Er torkelte rückwärts gegen die Wand und sackte zusammen.
Es war sonst niemand im Raum außer Dox. Ich kniete mich neben ihn, die Pistole Richtung Tür gerichtet. »Wie viele sind noch an Bord?«, sagte ich. »Weißt du das?«
»Nur einer«, ächzte er. »Nur einer.«
»Hilger?«
»Nein. Jemand anders. Ich glaube, der hier hat ihn eingeschlossen, in einem von den …«
Zwei Türen weiter ertönte das Stakkato von einem halben Dutzend schneller Pistolenschüsse. Der Typ, den Dox meinte, in dem ersten Raum, an dem ich vorbeigekommen war. Die Fenster waren klein, und ich hatte nur kurz hineingespäht. Ich musste ihn übersehen haben.
In dem Raum gab es nichts, was Deckung bot. Ich schlich an der Wand entlang, die HK auf die Tür gerichtet, und wartete.
Nichts geschah. Wer immer der Typ war, er war clever. Der Verteidiger, der sich nicht von der Stelle rührt, ist gegenüber dem Angreifer, der sich ihm nähert, gewaltig im Vorteil. Er wusste das und wartete einfach ab.
Verdammt, ich hatte keine Zeit für solche Spielchen. Sicherheitsbedienstete vom Club, Polizei … wir mussten hier weg.
»Ich brauche fünf Sekunden Hitze«, flüsterte ich ins Mikro. »Genau fünf Sekunden.«
»O Gott, nicht noch mal«, murmelte Dox hinter mir.
»Drei, zwei, eins«, hörte ich Boaz sagen, und dann brannte meine Haut.
Ein unwillkürlicher Schrei entfuhr meiner Kehle, und Dox auf dem Boden hinter mir brüllte mit. Ich kämpfte gegen die Illusion, dass die Pistole glühend heiß war, und musste dem überwältigenden Drang widerstehen, sie fallen zu lassen. Ich konnte mich nur mühsam auf den Beinen halten. Wer immer der Typ zwei Türen weiter war, ich hatte ihm gegenüber nur den Vorteil, dass ich
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