Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
es ist in Ordnung, so was zu machen, muss man das nicht unbedingt tun. Ihr solltet euch schämen, alle, wie ihr da seid.«
Pancho lachte. »Wieso nicht? Die versprechen uns sogar Straffreiheit, wenn wir Ärger kriegen.«
Dox sah ihn an. »Dann solltest du dich erst recht schämen, mein Junge. Du bist eine Schande für die Marines.«
Pancho erschrak kurz, doch ein Blick auf seinen Oberarm, wo das Motto des Marine Corps, Semper Fi, eintätowiert war, verriet ihm, woher Dox das wusste.
Hilger hätte beinahe geschmunzelt. Dox spielte genau dasselbe Spiel wie er: Ich weiß mehr, als ich durchblicken lasse.
»Und was ist das für ein Akzent?«, fragte Dox. »Bist du aus Mexiko?«
Panchos Augen wurden schmal. »Hast du ein Problem damit?«
Dox wandte den Kopf zur Seite und spuckte aus. »Na, das erklärt einiges.«
Pancho machte einen Schritt auf ihn zu. Demeere stellte sich ihm in den Weg und sagte: »Ganz ruhig.«
»Nur zu«, sagte Dox. »Vielleicht hast du ja eine Chance gegen mich, gefesselt, wie ich bin.« Dann fügte er etwas auf Spanisch hinzu, das Pancho das Blut aus Gesicht und Kopfhaut trieb. Pancho wollte an Demeere vorbei, doch der kräftige Mann hielt ihn fest.
Hilger war beeindruckt. Dox setzte ein, was er konnte, um die Kontrolle zu bewahren, und beruhigte sich dadurch selbst. Um zu verhindern, dass er die Situation weiter manipulierte, sagte Hilger: »Sie haben recht, das ganze Tamtam wegen dieser … wie hat der Präsident sie noch mal genannt? ›alternative Verhörtechniken‹, ja, genau, war wirklich merkwürdig. Denn die sind größtenteils ineffektiv, stimmt. Dir gehen irgendwelche Dschihadisten ins Netz? Du hast keine Ahnung, wer sie sind, geschweige denn, was sie wissen? Wenn du dann die Krokodilklemmen ansteckst und den Generator hochdrehst, spucken sie jede Menge Mist aus, und selbst wenn tatsächlich irgendwas Brauchbares dabei sein sollte, erkennst du es nicht und kannst erst recht nichts damit anfangen.«
Er hielt inne, als würde er nachdenken. »Aber wenn du weißt, wen du geschnappt hast? Und du weißt, er hat die Info, die du haben willst? Und sobald du sie aus ihm rausgeholt hast, kannst du überprüfen, was sie wert ist? Na, in dem Fall sind Krokodilklemmen und ein Generator durchaus die besten Freunde eines Mannes.«
»Hör sich das einer an«, sagte Dox. »Im Ernst, hörst du dir eigentlich noch selbst zu? Krokodilklemmen und ein Generator sind die besten Freunde eines Mannes? Du warst zu lange im operativen Einsatz, Amigo. Ihr alle. Ihr solltet euch Hilfe besorgen. Ihr braucht sie.«
Hilger wurde ärgerlich, wider besseres Wissen. »Was ich brauche«, sagte er, »sind Informationen. Sagen Sie mir, wie ich Kontakt zu Rain aufnehmen kann.«
Dox kicherte. »Ja, ich hab mir schon gedacht, dass Sie wegen Hongkong sauer sind. Was macht übrigens der Rücken? Der Stuhl war ganz schön schwer.«
Hilger riss sich zusammen, er wollte sich nicht provozieren lassen. Er musste schlauer sein. Wenn er wie Pancho reagierte, würden sie am Ende bloß alle den Gefangenen windelweich schlagen und doch nichts Verwertbares aus ihm rauskriegen.
»Dem Rücken geht’s gut«, sagte Hilger. »Danke der Nachfrage.«
»Was wollen Sie von Rain? Sind Sie sauer auf ihn, weil er diesen Al-Jib umgelegt hat? Der Bursche wollte eine Atombombe für Al-Qaida bauen. Und Sie wollten ihm das Material dafür verschaffen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, es fällt mir verdammt schwer, mit Ihnen hier so hautnah zu reden, ohne loszukotzen.«
»Was Sie nicht über Al-Jib wissen«, sagte Hilger, »würde ein Buch füllen. Und wenn Al-Qaida eine Bombe in die Hände kriegt oder eine radiologische Waffe, dann können Sie und Ihr Freund sich dazu gratulieren. Sie beide haben nämlich eine Operation vermasselt, die das verhindert hätte.«
»Reden Sie sich das ein, wenn das Zolpidem nicht wirkt und Sie nachts wach liegen?«
Es war seltsam. Dox so hilflos zu sehen hatte Hilgers Wut über die früheren Aktionen des Mannes, über die lange Genesungszeit, die Hilger benötigt hatte, nachdem ihn der Stuhl getroffen hatte, zunächst gedämpft. Doch jetzt verpuffte dieser kurze und absurde Anflug von Mitgefühl, als hätte es ihn gar nicht gegeben.
Hilger wurde erneut klar, dass er es mit keinem einfachen Kandidaten zu tun hatte. Die Information, die er von Dox haben wollte, würde zwar nur einen geringfügigen Verrat darstellen, aber kampflos würde der Mann nichts preisgeben, das war er seiner Ehre und seinem Selbstbild
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