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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Wenn sie noch länger weitermachten, würde die Panik in Entkräftung umschlagen, und Hilger würde brutalere Methoden anwenden müssen, was er vermeiden wollte – mehr, wie er erkannte, in seinem eigenen als in Dox’ Interesse.
    Hilger nickte Demeere zu, der näher trat und das Handtuch entfernte. Guthrie spritzte Dox das Gesicht sauber. Dox riss den Kopf blind hin und her, um dem Strahl auszuweichen. Guthrie schwenkte den Schlauch wieder beiseite. Dox schnaufte und würgte, erbrach sich dann erneut mit einem würgenden, erstickten Schrei.
    »Keinen lustigen Spruch auf den Lippen?«, fragte Hilger und schämte sich sogleich dafür.
    Aber Dox war der Humor jetzt vergangen. Seine Brust hob und senkte sich im Rhythmus kaum beherrschter Panik. Ihm klapperten die Zähne, und seine Hände zitterten in ihren Fesseln. Sein Atem ging mit einem pfeifenden Wimmern, und Hilger merkte, dass der Mann weinte.
    Hilger verdrängte seine Scham und seinen Ekel. Er beugte sich vor und sagte: »Ich will nicht wissen, wo er ist, bloß, wie ich zu ihm Kontakt aufnehmen kann.«
    Dox schüttelte den Kopf.
    Hilger sagte: »Mann, Sie haben schon länger durchgehalten als der verdammte Khalid Sheikh Mohammed, wissen Sie das? Und der hat länger durchgehalten, als ich es je erlebt hab. Aber niemand hält das ewig durch. Niemand. Also sagen Sie mir doch einfach, was ich wissen will. Ansonsten müssen wir weitermachen. Immer weiter.«
    Hilger wartete einen langen Moment, dann nickte er Demeere zu. Der Belgier trat mit dem Handtuch näher. Er hob Dox’ Kopf an, aber Dox schüttelte sich frei.
    »Okay!«, schrie Dox, mit heiserer Stimme. »Okay.« Er ließ einen derart einfallsreichen Schwall Schimpfwörter vom Stapel, wie Hilger ihn noch nie gehört hatte, nicht mal während seiner Zeit bei den sprachlich kreativen Männern der Third Special Forces im ersten Golfkrieg.
    Sie warteten. Als die Kanonade verklungen war, sagte Dox: »Wir kommunizieren über ein sicheres Bulletin Board.« Er nannte die URL, und Demeere notierte sie.
    »Wie oft schaut er da rein?«, fragte Hilger.
    »Ich weiß nicht. Wir haben nicht so viel Kontakt. Ich würde schätzen, einmal am Tag, wenn überhaupt.«
    »Gut. Das heißt, wir haben vierundzwanzig Stunden.«
    »Wofür?«
    »Bis Rain sich bei uns meldet. Wenn wir bis dahin nichts von ihm gehört haben, muss ich davon ausgehen, dass Sie mir die falsche Information gegeben haben. In dem Fall muss ich Sie erneut befragen. Und wahrscheinlich nicht ganz so nett wie vorhin.«
    Dox drehte den Kopf und spuckte. »Ach ja? Was wollen Sie denn dann machen, mich enthaupten und das Video an Al-Dschasira verkaufen?«
    Hilger sah ihn an. »Ich glaube, Sie verwechseln mich mit jemand anderem.«
    »Wirklich? Dann sagen Sie mir doch bitte, wo der Unterschied ist. Ich seh nämlich keinen.«
    Hilger wartete einen langen Augenblick. Als er sprach, klang seine Stimme kalt.
    »Das Ziel«, sagte er. Er blickte weiter Dox an, dachte dabei aber an Rain. »Das Ziel ist das Entscheidende.«

6
    DIE WELT DES KAMPFSPORTS ist zwar deutlich größer geworden, seit ich in den Siebzigern mit Judo anfing, doch ich musste auf jeden Fall vorsichtig sein. Mein Gesicht war nicht nur im Kodokan in Tokio bekannt, sondern auch in Carlinhos Gracies Jiu-Jitsu-Akademie, wo ich in meinem Jahr in Rio wie besessen trainiert hatte. Niemand in den beiden Clubs kannte meinen Namen, aber falls ein Stammkunde von einem der beiden zufällig in Paris trainierte, wollte ich mir nicht irgendwelche Fragen anhören müssen, was ich hier machte und wo ich wohnte.
    Doch bei allen Entscheidungen gilt es, das Kosten-Nutzen-Verhältnis abzuwägen, und mein Bedürfnis zu trainieren war so stark, dass es die damit verbundenen Risiken überwog. Es ging mir nicht allein darum, in Form zu bleiben, obwohl das natürlich auch wichtig war. Genau wie meine nächtlichen Streifzüge linderte das Training die Unruhe in mir. Und so besuchte ich an fünf Nachmittagen pro Woche den RD Sporting Club auf dem Boulevard Saint-Denis nicht weit vom Canal Saint-Martin. Der Club verfügte über ein abwechslungsreiches Trainingszubehör – Matten, Handschuhe, Boxsäcke – und eine Reihe harter Trainingspartner.
    Jeden Tag, meistens nach dem Training, ging ich in ein Internetcafé, immer in ein anderes, um in dem Bulletin Board nachzusehen, das ich zusammen mit Dox benutzte. Wir hatten nicht so oft Kontakt, aber mir gefiel die Routine. Auch mit Midori hatte ich lange auf diese Weise kommuniziert, vor

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