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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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gehen lassen.
    »Ich verarsche Sie nicht«, sagte ich. »Gehen Sie einfach zum Rathaus, das große französische Gebäude eine Querstraße südlich von Ihnen. Vor dem Gebäude ist ein Platz mit einer Ho-Chi-Minh-Statue. Da wimmelt es von Menschen. Wir treffen uns an der Statue.«
    Zwei Minuten später tauchte er auf. Durch das Kameraobjektiv konnte ich alles auf dem hellerleuchteten Platz sehen, sogar die Schweißperlen auf Hilgers Gesicht. Seine rechte Seite war mir zugewandt. Ich sah keinen Ohrhörer. So weit, so gut.
    Diesmal rief ich ihn an. »Sind Sie schon da?«, fragte ich.
    Er sah sich um. »Ja, ich bin da. Wieso Sie nicht?«
    »Ich bin vorsichtig.«
    »Sie sind zu vorsichtig. Sie vermasseln noch die ganze Sache.«
    »Woher soll ich wissen, dass Sie mich nicht reinlegen wollen?«
    »Sie haben doch um dieses Treffen gebeten, schon vergessen?«
    Ich zögerte. Dann sagte ich: »Gleich vor Ihnen ist ein Einkaufszentrum, wenn Sie mit dem Rücken zum Rathaus stehen. Saigon Tax, das mit der großen Motorola-Werbung an der Fassade, direkt gegenüber vom Sheraton. Dahinter ist ein Citibank-Gebäude zu sehen. Ich bin drinnen, im Café Góc Saigon. Auf dem Dach des Einkaufszentrums. Kommen Sie hoch.«
    Ich sah, wie er einen Blick nach hinten warf, dann nach links und rechts, dann hoch zu den Gebäuden um ihn herum. Ich wartete und wurde mit einer Nahansicht von seinem linken Ohr belohnt – leer, wie sein rechtes. Seine Augen glitten direkt über die dunkle Stelle, wo ich stand. Ganz genau, dachte ich. Da könnte ich sein. Oder im Saigon Tax. Oder in einem Zimmer im Sheraton. Oder vielleicht habe ich eine Videokamera in einem der Vans vor dem Rex aufgebaut und beobachte dich aus der Ferne. Oder ich beobachte dich gar nicht. Die Sache ist bloß, du weißt es verdammt nochmal nicht.
    Er legte wortlos auf und ging den Platz hoch Richtung Saigon Tax. Ich verfolgte ihn einen Moment lang durch die Kamera und beobachtete den Platz dann ohne Hilfe des Objektivs.
    Einige Sekunden später fiel mir ein untersetzter blonder Mann auf, der lässig hinter Hilger in dieselbe Richtung ging. Ich blickte durch die Kamera und sah, dass er mit den Augen überall war, jede Kleinigkeit erfasste, im Gehen den Kopf langsam von links nach rechts wandte. Diese visuelle Wachsamkeit passte nicht zu seinem lässigen Gang, und ich stufte ihn als Hilgers Verstärkung ein. Ich erkannte ihn derart schnell, dass ich mich kurz fragte, ob er vielleicht nicht bloß als Verstärkung dienen sollte, sondern auch als Ablenkung. Die Grundidee dabei ist, dass der Gegner weiß, dass du nach einer Verstärkung oder Überwachung oder was auch immer Ausschau hältst, daher liefert er dir genau das, was du erwartest. Und weil du jetzt die Gefahr erspäht hast, mit der du fest gerechnet hast, schließt dein Verstand unbewusst andere, weniger offensichtliche Möglichkeiten aus. Ich hab gewusst, da wird einer sein … ah, das ist er ja! , ist die Denkweise von Amateuren und anderen, denen keine Langlebigkeit in dieser Branche beschieden sein wird. Ich hab gewusst, da wird einer sein … da ist ja einer, so, wo sind die anderen?, ist die Denkweise von denen, die überleben.
    Der blonde Typ glitt dahin wie ein Panther, selbstbewusst, ausbalanciert. Er trug eine rechteckige, randlose Brille und kam mir irgendwie europäisch vor. Ich fragte mich, ob er derjenige gewesen war, der ans Telefon gegangen war, als ich das erste Mal aus Paris angerufen hatte. Er verströmte Kampfbereitschaft, nicht bloß durch seine Wachsamkeit, sondern durch seine Balance, seinen Gang. Falls ich ihn ausschalten müsste, dann würde ich ganz sicher irgendeine Waffe benutzen und ihn so gut überrumpeln, wie ich konnte.
    Ich schoss ein Dutzend Fotos, suchte dann den Platz nach weiteren möglichen Hilger-Leuten ab. Hier im Hotelbezirk waren etliche Ausländer unterwegs, aber keiner kitzelte meinen Radar. Sie waren entweder zu alt oder zu untrainiert, oder sie hatten Frauen und Kinder bei sich. Vor allen Dingen hatte keiner von ihnen diese außergewöhnliche Wachsamkeit an sich, die fast unmöglich zu verbergen ist, wenn du operativ im Einsatz bist und dich bewegst. Ich klappte das Stativ zusammen und ging hinauf in die Bar auf dem Dach des Rex. Versteckt hinter einem Garten, der damals noch nicht da gewesen war, hatte ich einen hervorragenden Blick auf den Eingang vom Saigon Tax. Mr Blond wartete davor auf dem Bürgersteig.
    Wenn Hilger zuließ, dass Mr Blond so großen Abstand zu ihm hielt, musste er

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