Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Sie jetzt schon ausbluten. Sie haben es selbst gesagt: Ich kann Sie nicht anfassen, solange Sie Dox festhalten. Ich bin es, der sich Sorgen um Überraschungen machen muss, nicht Sie. Ich sehe keinen Grund, warum wir hier nicht gemeinsam rausspazieren können. Es sei denn, Sie wollen mich hier behalten, weil Sie Ihren Leuten von diesem Treffpunkt erzählt haben. In diesem Fall müsste ich annehmen, dass Sie mir hier eine Falle stellen wollen.«
Was ich gesagt hatte, war logisch. Und deshalb wünschte ich mir, dass er sich weigerte. Dann hätte ich nämlich keine andere Wahl mehr. Ich könnte ihn abstechen, und was auch immer danach mit Dox passierte, es wäre nicht meine Schuld.
Er sagte nichts. Vielleicht ließ er sich meinen Standpunkt durch den Kopf gehen. Vielleicht fragte er sich, ob die Empfangsdame vor lauter Angst die Polizei verständigt hatte. Vielleicht hatte er aber auch in meinen Augen gesehen, wie sehr ich darauf hoffte, dass er sich weigerte. Wie auch immer, einen Moment später nickte er.
Wir verließen das Saigon Tax durch das Parkhaus, gingen in südwestlicher Richtung die Le Loi hinunter und bogen dann nach links auf die Pasteur. Ich hielt ein Taxi an und sagte dem Fahrer, er solle uns zum Ben-Than-Markt bringen, einer labyrinthischen Markthalle, die sich über einen ganzen Straßenblock erstreckte. Ich blickte nach hinten, als wir losfuhren, konnte aber bei dem Gewimmel von Motorrädern nicht sicher sein, dass niemand uns folgte. Als wir den Markt betraten, schoben sich Hunderte von Vietnamesen durch die Gänge. Hilger und ich gingen schnell und zielstrebig. Mir fiel niemand auf, der versuchte, mit uns Schritt zu halten, aber dennoch, ich fühlte mich keineswegs sicher. Ich rief mir in Erinnerung, dass Hilger erst seit einem Tag in der Stadt war. Kaum anzunehmen, dass er so schnell einen einheimischen Helfershelfer hatte engagieren und einsetzen können.
Hilger ging brav mit, ohne mir weiteren Ärger zu machen. Auf der Le-Thanh-Ton-Seite des Marktes stiegen wir wieder in ein Taxi, das uns zum Park Hyatt bringen sollte. Die Fahrt bot mir erneut Gelegenheit, nach Verfolgern Ausschau zu halten, und ich warf einen Blick durch die Heckscheibe, als wir nach rechts auf die Hai Ba Trung bogen. Ich glaubte zwar nicht, dass uns jemand vom Markt aus gefolgt war, aber … verdammt, die Straße war einfach zu voll mit Motorrädern und an zu vielen Stellen dunkel, und zu viele Motorradfahrer trugen Gesichtsmasken zum Schutz gegen die dreckige Luft. Hatte ich den Typen da nicht vorhin schon mal gesehen, den dünnen in dem weißen T-Shirt, mit dem schwarzen Tuch vorm Gesicht? Oder war das ein anderer gewesen?
Wir fuhren schweigend dahin. Wieder dachte ich, dass Hilger ein ungemein starkes Motiv haben musste, wenn er das alles auf sich nahm. Aber welches?
Ich hatte nicht mit so viel Motorradverkehr gerechnet. Als ich während des Krieges hier war, hatten überwiegend Pkws sowie natürlich Jeeps und rumpelnde Militär-Lkws die Straßen beherrscht. Jetzt gestaltete sich die Gegenaufklärung schwieriger. Ich würde später, nach der Besprechung, ungemein vorsichtig sein müssen. Aber zumindest im Gebäude würde ich sicher sein. Ich hatte das Hotel, das neueste und teuerste in Saigon, aus dem Grund ausgesucht, weil es Überwachungskameras, einen Sicherheitsdienst und andere Einrichtungen hatte, die einen Angriff dort unterbinden würden.
Das Taxi bog in die halbkreisförmige Zufahrt und hielt in deren Mitte. Zwei Pagen öffneten die breiten Doppeltüren des Hotels und hießen uns willkommen. Über polierte Holzböden und dicke Perserteppiche gingen wir zur Lobby Lounge. Dann rangelten wir ein wenig um die Plätze bei der Frage, wo wir uns hinsetzen sollten. Schließlich entschieden wir uns für einen Tisch an der Außenwand, an dem wir nebeneinandersaßen, mit Blick in den großen, zweigeschossigen Raum. Die Lounge wurde von etlichen hoch hängenden Lüstern aus gehämmertem Metall in gedämpftes Licht getaucht, und um uns herum erklangen Gesprächsgemurmel und Lachen von größtenteils ausländischen Gästen. Alles wirkte vollkommen sicher und daher irgendwie surreal.
Wir saßen einige Augenblicke lang schweigend da, weil jeder von uns abwartete, dass der andere das Wort ergriff. Eine hübsche Kellnerin beendete die Pattsituation, indem sie an unseren Tisch trat und uns Speisekarten reichte. »Mein Name ist Ngan«, sagte sie. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
Hilger überraschte mich mit der
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