Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Warnhinweis geben würde, irgendeinen merklichen Übergang, und dass er somit noch würde reagieren können. Es war ihm also nicht zu verdenken, dass er auf das, was als Nächstes passierte, nicht vorbereitet war.
»Sie müssen …«, setzte er an.
Ich überbrückte den Abstand zwischen uns mit einem großen Schritt, wobei meine Hand zum Schein auf sein Gesicht zielte. Seine Augen weiteten sich vor Verblüffung, und seine Arme zuckten in die Höhe – weg von meinem hinteren Knie, das auf seinem Weg nach oben einen leichten Bogen beschrieb, um abrupt mit seinen Hoden zu kollidieren. Er gab einen Laut von sich, der sich als vomitus interruptus bezeichnen ließe, und krümmte sich in mich hinein. Ich stieß ihn gegen die Wand und hielt ihm das geöffnete Klappmesser in Sekundenschnelle an den Hals. Die Schneide mochte ja nicht die langlebigste sein, aber im Augenblick war sie scharf genug, und ich presste sie ihm gegen die Halsschlagader, gerade so fest, dass sie nicht ganz durch die Haut drang. Währenddessen drückte meine geballte Faust auf seinen Adamsapfel, und meine linke Hand hielt sein rechtes Handgelenk fest, damit er nicht irgendetwas aus der Tasche ziehen konnte.
»Hände hoch, du Scheißkerl«, flüsterte ich. »An die Wand, neben dem Kopf. Ein Versuch, nach einer Waffe zu greifen, und ich schlitz dich bis zur Wirbelsäule auf.«
Abgesehen von meinem dringenden Bedürfnis, ihn nach Waffen zu durchsuchen, musste ich ihm eine Option außer Widerstand oder Tod bieten. Wenn er überzeugt war, dass ich ihn töten wollte, konnte ich keine Kooperation erwarten. Unter den gegebenen Umständen beschloss er, sich zu fügen. Er verzog das Gesicht und hob langsam die Hände an die Wand. Sein Kopf war nach hinten gedrückt, sein Kinn ruhte auf meiner Faust, seine Nasenflügel weiteten sich mit jedem Atemzug. Seine Augen waren schmale Schlitze und betrachteten mich kalt.
Ich erwiderte seinen Blick und merkte erschrocken, wie nah dran ich war, meine Drohung wahr zu machen. Seine Haare packen, seinen Kopf nach links ziehen, die Ader glatt durchtrennen, zur Seite treten, um kein Blut abzubekommen. Nach draußen gehen, Mr Blond filetieren, ehe er eine Chance hätte zu reagieren. Ohne Rücksicht auf Verluste, Hauptsache, der Rest von Hilgers Team kapierte, mit wem sie es zu tun hatten und was sie erwartete.
»Wenn ich mich nicht bei meinen Leuten melde, erledigen sie Dox«, sagte er, als könnte er meine Gedanken lesen. »Ganz automatisch.«
Vielleicht, dachte ich. Vielleicht lassen deine Leute Dox aber auch gehen, um mich zu besänftigen. Was bringt er ihnen denn noch, wenn du tot bist? Ja, lasst ihn gehen. Eine Kapitulation, ein Friedensangebot.
Gott. Ich verspürte einen so brennenden Wunsch, ihn zu töten, dass ich sogar ein wenig hechelte. Und alles andere beiseiteschob, sogar Dox’ Leben, um mir selbst die Erlaubnis zu geben.
Tu es. Tu es doch einfach. Bring es jetzt zu Ende, und du hast deine Ruhe.
Ich stellte mir Dox vor, irgendwo, hilflos, isoliert, leidend, und irgendwie gebot der Gedanke meiner Hand Einhalt. Ich zitterte am ganzen Körper von dem Konflikt, der in mir tobte, als ich Hilger herumdrehte und ihn durchsuchte. Er hatte zwei Messer, ein Klappmesser und eins im Gürtel. Ich steckte beide ein. Als Nächstes Dox’ Handy. Ich stellte es aus und steckte es ebenfalls ein. Außer einem Packen Dong- und Dollarscheine hatte er sonst nichts dabei, nicht mal eine Brieftasche.
Ich trat von ihm zurück, klappte das Messer zu und steckte es wieder in die Hosentasche. Harrys Wanzendetektor vibrierte nicht mehr, seit ich Dox’ Handy ausgeschaltet hatte. Hilger war sauber.
Ich beobachtete ihn, irgendwie entgeistert, weil er noch am Leben war, weil ich es geschafft hatte, mich zurückzuhalten. Er schluckte, und seine rechte Hand ging unwillkürlich hoch zu seiner Kehle, rieb sie, streichelte die unversehrte Haut. Er atmete schwer.
Die Empfangsdame kam um die Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte zwar nicht gesehen, was Sekunden vorher passiert war, aber sie konnte die Nachwirkungen spüren. Ich warf ihr einen Blick zu und sagte: »Lassen Sie uns noch einen Moment allein.« Sie nickte und wich zurück.
Ich sah Hilger an. »Gehen wir.«
Er schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage«, keuchte er.
»Sie denken nicht klar«, sagte ich, während eine Stimme in mir schrie: Es ist noch nicht zu spät – hol einfach dein Messer noch mal raus und mach ihn alle! »Wenn ich Sie töten wollte, würden
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