Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
die Wassertropfen auf seiner Brille. Der vordere Fahrradscheinwerfer erschien im Sucher wie ein gelbes Leuchtfeuer.
Ich spürte einen heißen Adrenalinstoß im Bauch, und mein Herz begann, noch schneller zu schlagen. Ich atmete mehrmals tief ein und aus und suchte ein letztes Mal die Umgebung ab. Alles klar.
Ich steckte die Brille in die Bauchtasche, nahm die SureFire heraus und stellte mich mitten auf die Straße. Ohne die Nachtsichtbrille konnte ich Jannick selbst nicht sehen, aber die Fahrradlampe strahlte wie ein Leuchtfeuer hundertfünfzig Meter entfernt. Einhundert. Fünfzig.
Er bremste etwas ab, als der Radweg auf die OPM mündete, doch er war noch immer ganz schön schnell. Zu schnell.
Noch dreißig Meter. Ich hob die SureFire in Schulterhöhe. Ich schloss ein Auge, damit es nicht geblendet wurde und ich meine Nachtsicht bewahrte, und blinzelte mit dem anderen. Zwanzig. Zehn.
Kurz bevor der vordere Rand seines Lichtkegels meine Position erreichte, drückte ich den Knopf hinten an der Taschenlampe. Fünfhundert Lumen trafen ihn voll ins Gesicht, so grell und weiß wie ein Blitz. Ich hörte ihn vor Schmerz und Schreck aufschreien.
Er musste instinktiv in die Bremsen gestiegen sein, wie ich gehofft hatte. Ich hörte die Reifen auf dem nassen Laub rutschen und sprang aus dem Weg. Der Lichtkegel der Fahrradlampe torkelte wie verrückt hin und her, während Jannick versuchte, das Rad zu stabilisieren. Aber er war zu erschrocken und zu geblendet. Und die Straße war zu nass. Einen Moment lang geriet das Licht noch wilder ins Wanken. Dann kippte das Rad um, und Jannick landete hart auf dem Asphalt.
Ich schob die SureFire in die Bauchtasche neben die Nachtsichtbrille und zog den Reißverschluss zu. Ich sah mich um, vergewisserte mich erneut, dass wir allein waren.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich und ging zu ihm. Er war auf allen vieren, spuckte Blut, versuchte aufzustehen.
Er stöhnte, und es klang, als bekäme er kaum Luft.
Ich trat mit hämmerndem Herzen näher. »Nicht bewegen«, sagte ich. »Vielleicht sind Sie verletzt.«
Er setzte an, etwas zu erwidern. Ich hörte nicht hin. Ich stellte mich rittlings über ihn und setzte mich hart auf seinen Rücken. Er ächzte und klappte zusammen. Ich stemmte die Füße rechts und links von seinem Kopf fest auf den Boden, griff mit beiden behandschuhten Händen unter sein Kinn und bäumte mich mit voller Kraft nach hinten auf. Sein Genick brach, und es klang, als würde ein dicker, trockener Holzscheit brechen. Sein Körper krampfte unter mir.
Ich stand auf und hastete sofort zurück zur Brücke, wo ich einigermaßen Deckung hatte. Ich holte die Brille wieder hervor und suchte die Umgebung ab. Niemand. Dann betrachtete ich die Szene vor mir. Jannicks Rad lag auf der Seite, die Radlampe leuchtete sinnlos nach oben in den strömenden Regen, das Vorderrad drehte sich langsam. Jannick selbst lag mit dem Gesicht nach unten. Dampf stieg langsam von seinem Körper auf, der Regen prasselte weiter gleichgültig auf ihn und um ihn herum. Es sah aus wie ein verrückter Unfall: ein Radfahrer, der bei Dunkelheit und Regen etwas zu schnell unterwegs war, die Kontrolle verloren hat und unglücklich gestürzt ist. Es gab keinen Grund, irgendetwas anderes dahinter zu vermuten, und auch keine Möglichkeit, es zu beweisen.
16
ICH VERSTAUTE DIE BRILLE wieder in der Tasche und ging zur Page Mill Road. Dort wartete ich ein paar Minuten, bis in beiden Richtungen keine Scheinwerfer zu sehen waren, trabte über die Straße und kehrte zum Wagen zurück.
Ich fuhr nach San Francisco, ins Tenderloin-Viertel, von dem ich wusste, dass dort viele Obdachlose hausten. Ich legte alles, was ich an dem Abend getragen hatte, an diversen Straßenecken nahe der Market Street neben Mülleimern ab, in dem sicheren Wissen, dass die Sachen im Handumdrehen neue Besitzer unter den Obdachlosen finden würden. Die Nachtsichtbrille und die Taschenlampe warf ich von der San Mateo Bridge in das dunkle, tiefe Wasser der San Francisco Bay.
Ich entdeckte ein Internetcafé namens NCK Cyber Lounge in San Mateo, wo ich in das Kanezaki-Bulletin-Board schaute. Es war leer. Ich hinterließ ihm eine Nachricht: Jan Jannick, Holländer, Chef von Deus Ex Technologies in Palo Alto, finanziert durch In-Q-Tel.
Ich würde bis morgen warten, ehe ich Kontakt zu Hilger aufnahm. Wenn ich Dox finden wollte, brauchte ich dringend zweierlei: Informationen und Zeit. Hilger unverzüglich über Jannicks Ableben zu benachrichtigen
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