Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
hier entlangkam, würde ich ihn vorbeifahren lassen und ihm dann folgen. Ein BMW, den er ein paar Minuten lang im Rückspiegel sah, zumal wenn er zum Golfclub von Sands Point wollte, wie ich erwartete, würde ihn nicht beunruhigen. Und falls er die Middle Neck in die andere Richtung fuhr, würde ich eben wenden und ihm folgen.
Eine plötzliche Paranoia durchfuhr mich: Was, wenn sich herausstellte, dass das Hilger-Team, vor dem ich mich so hütete, Accinelli selbst war? Vielleicht kannten sie einander aus dem Krieg. Vielleicht war Accinelli ihm noch einen Gefallen schuldig. Hilger erzählt ihm, wann ungefähr mit mir zu rechnen ist; Accinelli beobachtet die Straße vom Haus aus, das Auto fahrbereit vor der Tür; er sieht mich, verlässt das Haus, ohne sich etwas anmerken zu lassen, mit einer Golftasche, in der zwischen den Schlägern eine mit Vollmessinggeschossen geladene Flinte, Kaliber 12, steckt.
Ich suchte die Umgebung ab. Ein schwarzer Geländewagen kam auf der Middle Neck in meine Richtung, und mich beschlich ein Ach-du-Scheiße~ Gefühl. Ich schob den linken Fuß auf die Bremse, und hielt den rechten über das Gaspedal, bereit zu einem Blitzstart, falls der Geländewagen langsamer wurde oder beschleunigte oder einen Schlenker machte. Aber er tat nichts dergleichen, und als er näher kam, konnte ich erkennen, dass bloß ein älteres Paar darin saß. Herrje, die beiden waren wahrscheinlich auf dem Weg zur Kirche.
Ich ließ den Geländewagen passieren und sah in den Rückspiegel. Der Mercedes tauchte auf, bog aber von der Hilldale Lane nach links auf die Middle Neck, von mir weg. Vor lauter Anspannung war ich richtig überrascht, dass er es anscheinend doch nicht auf mich abgesehen hatte. Dann merkte ich, wie albern ich war. Was sollte Accinelli vorhaben, mich abknallen, aus seinem Auto heraus, knapp hundert Meter entfernt von seiner Zehn-Millionen-Dollar-Villa, vor den Augen der entsetzten Nachbarn? Nein. Es war nicht auszuschließen, dass Hilger mir eine Falle stellte, aber nicht so.
Ich wendete auf der Middle Neck und folgte dem Mercedes im Abstand von hundertfünfzig Metern. Die Straße war lang und gerade und bog sich kaum merklich von Osten nach Süden. Auf diese große Entfernung war die Verfolgung ein Kinderspiel, und ich hielt die ganze Zeit Ausschau nach Überraschungen.
Nach gut zwei Meilen bog Accinelli links ab auf die Thayer Lane. Thayer, genau, jetzt fiel es mir wieder ein, das war die Straße, wo der Club lag. Ich folgte ihm. Nach etwa achthundert Metern kam eine Rechtskurve, und ich verlor ihn für einen Moment aus den Augen. Als ich ebenfalls um die Kurve bog, sah ich Accinellis Wagen wieder. Er stand neben einem Wachhäuschen. Hinter dem Wachhäuschen lag ein Parkplatz und dahinter ein Komplex aus großen Backsteingebäuden mit Ziegeldach, wobei es sich, wie ich mich von der Webseite erinnerte, um das einstige Anwesen von Isaac Guggenheim handelte. Das war also die Einfahrt zum Club. Accinelli fuhr an dem Wachhäuschen vorbei. Ich wendete auf der Thayer Lane und fuhr zurück in die Gegenrichtung.
Ich erkannte, dass sich mir da eine Möglichkeit bot, wenn ich mich beeilte. Ich gab die Koordinaten für Midtown Manhattan in das Navi ein. Fünfundzwanzig Meilen. Die Zeit fürs Parken und den Einkauf, den ich vorhatte, eingerechnet, konnte ich mit ein bisschen Glück in etwas über anderthalb Stunden wieder hier sein.
Ich fuhr den Long Island Expressway so schnell nach Westen, wie es möglich war, ohne einen Strafzettel zu riskieren. Was hatte Accinelli heute vor – neun Löcher oder achtzehn? Und wie lange würde er mindestens spielen? Bestimmt nicht weniger als zwei Stunden, selbst bei einem kürzeren Spiel. Und danach wäre es Mittag, Zeit zum Lunch. Vielleicht würde er im Club einen Happen essen. Vielleicht war das für ihn ein Sonntagsritual: Er ließ seine Frau als Golfwitwe allein zu Hause, verbrachte zwei, drei, vielleicht vier Stunden auf dem Platz, um danach mit seinen Kumpeln noch etwas zu trinken. Das würde passen. Wer bei diesen Temperaturen Golf spielte, musste ein Fanatiker sein.
Vielleicht. Aber wissen konnte ich es natürlich nicht. Um seine Gewohnheiten auszukundschaften, war keine Zeit, so dass ich nur Vermutungen anstellen konnte. Doch bei einer Frist von nur fünf Tagen musste ich jede Chance nutzen, die sich mir bot, und war sie auch noch so klein.
In weniger als fünfundvierzig Minuten war ich im Spy Shop, einem Geschäft für Überwachungstechnik auf der 34th
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