Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Ankunftsbereich, bis die Passagiere meines Fluges verschwunden waren. Unter den Leuten, die blieben, vermutlich weil sie alle auf Weiterflüge warteten, löste niemand meinen Radar aus, doch absolut sicher konnte ich noch nicht sein. Ich schlenderte in Richtung Gepäckabholung, und niemand folgte mir. So weit, so gut.
Ich fuhr mit dem Shuttlezug zu einem anderen Terminal und stellte erneut fest, dass mir niemand folgte. Falls einer auf mich wartete, dann draußen vor dem Terminal, nicht drinnen. Oder aber es waren mehrere, die auf verschiedene Punkte verteilt waren, damit sich kein Einzelner an meine Fersen heften musste. Wie auch immer, ich hatte noch ein paar Taktiken in petto, um auf Nummer sicher zu gehen.
An einem Münztelefon suchte ich mir aus den Gelben Seiten eine auf europäische Luxusmodelle spezialisierte Autovermietung namens Image Rent-A-Car. Ich wolle für ein paar Tage einen Mercedes mieten, sagte ich dem höflichen Mitarbeiter, die S-Klasse. Hatten sie einen da, den ich heute abholen könne? Leider, so die Antwort, seien alle Mercedes-Modelle vermietet. Aber es sei noch ein marineblauer BMW 750Li, Baujahr 2006, zu haben, den sie mir in weniger als einer Stunde überallhin im Großraum von New York schicken könnten – vier Tage, vierhundert Meilen frei, siebzehnhundertfünfzig Dollar. Ich erwiderte, der BMW würde es auch tun und ich würde ihn selbst abholen kommen.
Ich ging nach draußen, wo mir die Ostküstenwinterkälte entgegenschlug. Sie kribbelte mir in den Nasenlöchern, und eine jähe Bö fegte durch meinen Kaschmirblazer. Am liebsten hätte ich die Schultern hochgezogen und die Hände tief in die Taschen gesteckt, doch ich tat es nicht, für den Fall, dass ich irgendetwas übersehen hatte und schnell reagieren musste. Ich suchte im Gehen die Umgebung ab. Es wimmelte von Leuten, die aus und in Autos stiegen, mit Gepäck hantierten, aber keine Gefahrensignale. Verdammt, war das kalt. Die Flughafenarbeiter trugen alle Handschuhe und Mützen und dicke Parkas, und die Abgase von Autos und Taxis quollen als weißer Qualm aus den Auspuffrohren. Sobald ich konnte, würde ich mir wärmere Kleidung besorgen müssen.
Ich stieg in ein Taxi und sagte dem Fahrer mit einem starken japanischen Akzent, ich hätte die Befürchtung, dass meine misstrauische Frau mich verfolgen würde. Könnte er wohl ein paar Umwege fahren, damit ich mich vergewissern könne?
»Ganz wie Sie wollen, Mann«, sagte er. »Die Uhr läuft ja mit.«
Ich lächelte, zog mir die Lederhandschuhe über, die ich in Mountain View gekauft hatte, und dachte: Ich liebe New York.
Eine Stunde, zwei Taxis und einen Fußlauf später war ich sicher, dass ich clean war, und holte den BMW ab. In den Villenvierteln von Sands Point wäre der Wagen ein vertrauter und beruhigender Anblick und somit praktisch unsichtbar. Ich warf meine Tasche in den Kofferraum, stellte die Sitzheizung an, gab Accinellis Firmenadresse ins Navi ein und folgte den Anweisungen raus nach Long Island.
Es war Sonntagmorgen und entsprechend wenig Verkehr. Die Fahrt dauerte eine knappe Stunde. Global Pyrochemical Industries lag an einer vierspurigen Straße namens East Jericho Turnpike, die von Ost nach West ein Wohnviertel durchschnitt, etwa eine Meile südlich des Long Island Expressway. Ich fuhr zunächst an schlichten Einfamilienhäusern vorbei, die sich in regelmäßigen Abständen gruppenweise dicht an dicht aneinanderreihten, leicht zurückversetzt von der Straße, jedes mit einem rechteckigen Stück Rasen davor. Dann kamen einige Apartmenthäuser, eine Schule und ein Baseballfeld, Eisenbahnschienen und ein Schrottplatz. East Jericho selbst war ein reines Geschäftsviertel: Immobilienmakler und sonstige Agenturen, ein Bürobedarfshandel, Restaurants, eine Bowlingbahn. Und am östlichen Ende sechs H-förmige Gebäude, in zwei Dreierreihen angeordnet, umgeben von einem Maschenzaun, der oben mit Stacheldraht bespannt war. Global Pyrochemical Industries.
Ich fuhr vorbei und hielt nach einem möglichen Hinterhalt Ausschau. Bei einer Zielperson wie Accinelli wäre es nicht schwer für Hilger, meine Schritte vorherzusehen, wie zum Beispiel das Auskundschaften von Firmen- und Privatadresse. Nicht auszuschließen, dass hier ein ganzes Team auf mich wartete. Doch vorläufig löste nichts meinen Radar aus.
Unter operativen Gesichtspunkten war ich nicht begeistert von dem, was ich sah. Erstens war der Parkplatz nur durch eine von einem Pförtner bewachte Schranke
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