Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
Vom Netzwerk:
überein. Mehr wollte er mir zwar nicht verraten, aber das reichte aus, um guten Gewissens Chuckles und Harry zu informieren.
    Chuckles war überrascht. »Stimmt das? Woher hast du das alles?«
    Da ich es besser fand, meinen Informanten bei der Yamaguchi-gumi nicht zu nennen, gab ich als Quelle das FBI an, was zumindest teilweise ja stimmte. Chuckles wollte sofort einen Artikel schreiben, aber ich schlug vor, zuerst mit Harry Potter zu sprechen.
    Harry lag auf dem Sofa und versuchte, die Beilage in der Mitte der Weekly Gendai zu öffnen, als Chuckles und ich zu ihm kamen. Während er zuhörte, wurde er immer aufmerksamer, denn ihm war klar, dass es sich hier um einen netten kleinen Knüller handelte – vor allem deshalb, weil das Bargeld schon beschlagnahmt worden war. Dann tat er etwas, was er selten tat: Er nahm seine Brille ab, polierte sie und lächelte. Er lächelte so breit, dass man seine Zähne sah.
    »Jake, vielleicht bist du doch nicht so nutzlos, wie ich dachte«, meinte er dann. Das war ein richtig großes Kompliment, und ich bin sicher, dass ich strahlte oder rot wurde. Dann holte er seinen Stellvertreter, und wir gingen zu viert in ein chinesisches Restaurant mit einem privaten Speisesaal, in dem wir das weitere Vorgehen besprachen. Harry bat mich, dem FBI so viele Informationen zu entlocken wie möglich. Er und sein Vertreter würden dann versuchen, sie von der Polizei bestätigen zu lassen. Chuckles musste sich vorläufig zurückhalten. Sie war unser Ass und sollte mit dem Polizeichef über unseren Knüller verhandeln. Damit er ihr gewogen blieb, würde sie jedes ungebührliche Herumschnüffeln und Auf-den-Schlips-Treten mir in die Schuhe schieben.
    »Sag ihm, Jake habe es von der CIA gehört«, schlug Harry vor. »Es halten ihn ohnehin alle für einen Agenten. Sag ihm, dass Jake ausgerastet sei und dass er die diffizile Beziehung zwischen der Polizei und den Polizeireportern nicht versteht. Überzeug ihn davon, dass wir den Knüller brauchen, weil Jake sonst ohne uns über den Fall schreiben wird – und wer weiß, was er dann alles enthüllen würde und wie sehr er den Ermittlungen schaden könnte. Das sollte ihn doch zugänglich machen.«
    Dann wandte Harry sich an mich: »Tut mir leid, Jake. Der Polizeichef wird sauer sein, aber du musst ja nicht mit ihm arbeiten. Vielleicht werden einige hohe Tiere behaupten, dass sie wegen dir überstürzt handeln mussten – was der Polizei wahrscheinlich eine Menge
Publicity verschaffen würde –, aber darüber darfst du dich nicht aufregen.«
    »Werde ich nicht.«
    »Außerdem bist du Jude. Da musst du doch daran gewöhnt sein, für alles verantwortlich gemacht zu werden.«
    Innerhalb weniger Tage hatten wir alles, was wir brauchten. Ich schloss einen Handel mit einem Lokalreporter in Las Vegas ab, der für mich recherchierte und im Gegenzug dafür Informationen von mir erhielt. Ich bestand darauf, zuerst einen Artikel in Japan zu
schreiben, danach sollte er in Vegas seine Schlagzeile bekommen. Der Zeitunterschied und die Tatsache, dass nur einer von zehn Millionen Amerikanern japanische Zeitungen liest, machten diese Vereinbarung möglich.
    Kajiyama war ein »Wal«. So nennt man in Vegas Prominente, die viel Geld ausgeben. Er frequentierte Vegas seit über zehn Jahren, besaß sowohl im Kasino als auch bei einer kalifornischen Bank Konten und hatte Geld in den USA abgehoben. Infolge eines Hinweises der amerikanischen Behörden hatte die Tokioter Polizei seit dem Sommer Beamte in die USA geschickt, um Kajiyamas Transaktionen zu untersuchen. Das Heimatschutzministerium, die Aufsichtsbehörde für Spielbanken und das FBI ermittelten gegen ihn wegen des Verdachts, in den USA Geld gewaschen zu haben. Das ›MGM Grand‹ erklärte sich scheinbar zu einer Unterstützung der Polizei bereit.
    Chuckles traf eine Vereinbarung mit dem Polizeichef: Unser Knüller über Kajiyama und Vegas sollte zuerst veröffentlicht werden, dann konnte die Polizei publik machen, dass sie auf Kajiyamas Konten in Tokio mehr als zwei Millionen Dollar beschlagnahmt hatte, wahrscheinlich die illegalen Profite seiner Wuchergeschäfte. Dann durften wir darüber berichten. Danach würde die Polizei Kajiyama erneut festnehmen, diesmal wegen des Verstoßes gegen das japanische Gesetz gegen Geldwäsche, während wir über die Ermittlungen des FBI wegen der Geldwäsche in den USA schreiben konnten.
    Harry amüsierte sich sehr über die Idee, einen Artikel mit der Überschrift »Ein Wal namens

Weitere Kostenlose Bücher