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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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mehrmals aus. Dabei achtete er stets darauf, dass die Behörden nicht hellhörig wurden. Sein Unternehmen wurde aber bald so groß, dass es doch Aufsehen erregte.
    Als die Polizei im Jahr 2003 begann, Kajiyamas Firmenzentralen zu durchsuchen, fanden sie zahlreiche Computerterminals in den Büros. Insofern war Kajiyama der Polizei um Jahre voraus.
    Von dem Geld, das die Goryo-kai in Shizuoka von Kajiyama bekam, baute sie eine zweistöckige Zentrale. Sein Name wurde in Stein gemeißelt und dann mit Gold gefüllt. Japanische Politiker erhielten Schmiergelder. Im Laufe mehrerer Jahre zahlte Kajiyama mehr als vier Millionen Yen (rund 40 000 Dollar) an den einflussreichen früheren LDP-Politiker Kamei Shizuka. Und das waren nur die Beträge, die in den Büchern auftauchten.
    Am 23. Oktober 2004 hatte die Tokioter Polizei schließlich Beweise dafür, dass Kajiyama mit der Yamaguchi-gumi zusammenarbeitete. Deshalb sollte es eine Razzia in der Zentrale dieser Gruppe in Kobe geben, und wieder wussten alle – Polizei, Verbrecher und Journalisten – schon einen Tag zuvor davon. Die Yamaguchi-gumi hatte sogar eine förmliche Anfrage an die Polizei gestellt, um Datum und Uhrzeit zu erfahren und entsprechend vorbereitet zu sein. Ich sprach vor der Razzia mit mehreren Yakuza und ehemaligen Yakuza. Bei einer Abendveranstaltung ließ der Chefreporter des Kyodo News Service Chuckles gegenüber durchblicken, dass sie das Risiko eingehen wollten, über die Razzia zu berichten, noch bevor sie stattgefunden habe.
    Plötzlich gerieten alle Journalisten in Panik. Chuckles rief alle rivalisierenden Reporter zusammen, und sie beschlossen, über die Razzia zu schreiben. Niemand sollte das Nachsehen haben. Darum erschien am Tag der Durchsuchung auch in der Morgenausgabe der Yomiuri ein langer Artikel, der die Aktion ankündigte.
    Die Razzia selbst war nach 25 Minuten vorbei. Als die Polizisten
hineinstürmten, hörte man die typischen Sticheleien und Schreie der Yakuza noch in weiter Entfernung des Hauptquartiers der Yamaguchi-gumi.
    »25 Minuten? Das ist doch keine Razzia – das ist ein Nachmittagstee«, meinte Harry Potter höhnisch. »Wahrscheinlich haben sie die ersten zehn Minuten allein damit verbracht, Visitenkarten auszutauschen. Ich wette, dass die ›Beweismittel‹ schon fein säuberlich für die Mitnahme verpackt waren.«
    »Vermutlich haben sie noch eine Waffe als Souvenir dazugepackt«, fügte ich zynisch hinzu.
    »Wahrscheinlich bringt der Boss in diesem Augenblick einem seiner Yakuza-Schläger bei, dass der für ein paar Jahre in den Knast gehen muss, damit die Polizei nicht ihr Gesicht verliert.«
    Am Abend vollendete ich mein Meisterwerk über ein anderes Kreditwucherunternehmen der Yamaguchi-gumi. Diesmal waren Videotheken die Tarnfirmen. Der Polizist, mit dem ich darüber geredet hatte, meinte: »Bis jetzt war der Kreditwucher der Yakuza eine schwer zu verfolgende Nebensache, und die Täter bekamen lediglich einen Klaps auf die Hand. Schändlicherweise haben wir uns nie wirklich darum gekümmert.« Das war vermutlich auch der Grund dafür, dass das Amt für öffentliche Sicherheit die Anklage vertrat.
    Als ich den Artikel abgeliefert hatte, verließ ich schnell das Büro und fuhr nach Hause, doch schon anderthalb Stunden später rief mich der Büroleiter an und teilte mir mit, dass jemand vor dem Mitaka-Bahnhof erstochen worden sei.
    Hektik brach aus: Telefonanrufe bei der Polizei, im Krankenhaus, bei einigen Geschäften und ein paar Fotografen. Sie waren alle nicht sehr hilfsbereit, aber es gelang uns doch, einen Artikel zusammenzustellen.
    Um zwei Uhr morgens fuhr ich dann nach Roppongi.
    Ich hatte mir ein kleines Informationsnetz aus Stripperinnen, Prostituierten, Hostessen, Schleppern und Straßenhändlern aufgebaut. Deshalb wusste ich immer, wer mit Drogen handelte und wer sie lieferte. Außerdem verfügte ich über ein Frühwarnsystem, das mich informierte, wenn eine Großrazzia in einem Club bevorstand. Drogenrazzien waren nur dann als Nachricht von Interesse, wenn berühmte Leute erwischt wurden, und da war es immer gut, wenn man schon vorher darüber Bescheid wusste.
    Ich traf meinen chilenischen Lieblingsschlepper an der »Propaganda-Bar«. Er sagte, er habe etwas für mich. Nami, eine thailändische Stripperin, die mit einem japanischen Taxifahrer verheiratet war, brachte uns Drinks. Die beiden wussten nicht, dass ich Reporter war. Niemand wusste es. Sie glaubten, ich sei Ermittler bei einer Versicherung und

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