Tokio Vice
richtig erscheint. Wie ein Händedruck. Sie bewegen sie auf glattem Eis. Und Sie werden nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben, Sie werden gar nicht auf den Gedanken kommen, dass es falsch sein könnte. Der Job verdirbt Ihren Charakter. Sie sollten sich besser versetzen lassen. Sie haben wirklich Glück, dass Sie schon verheiratet sind. Ich könnte nie heiraten.«
»Warum nicht?«, fragte ich überrascht.
»Weil ich zu viel Zeit mit Leuten verbringe, für die Sex keinerlei Bedeutung hat. Mir bedeutet er auch schon nichts mehr. Ich könnte daher einer Frau auch nicht treu sein, und ich würde nicht glauben, dass sie mir treu sein könnte. Monogamie ist Quatsch. Sex ist das Gleiche wie der Austausch von Neujahrskarten, ein Ritual. Natürlich weiß ich, dass der Rest der Welt anders denkt, für andere ist Sex eine große Sache. Aber ich bin nicht mehr in Einklang mit der realen Welt, und ich werde es nie wieder sein. Ich könnte nie ein normales Mädchen heiraten, weil die Kluft zwischen uns zu groß wäre. Ich könnte vielleicht eine Prostituierte heiraten, aber die müsste mir versprechen, hauptsächlich mit mir Sex zu haben, da ich sonst vielleicht eifersüchtig werden würde. Oder ich könnte eine Polizistin heiraten, die bei der Sitte gearbeitet hat. Aber sicher keine Hostess, das sind Blutsauger.«
»Das klingt alles ziemlich trostlos.«
»Warten Sie’s nur ab. Sie werden es schon noch verstehen. Aber was dieses Geschwätz über Monogamie und Betrug anbelangt – eines habe ich gelernt: Geben Sie nie etwas zu. Wenn Sie die Frau lieben, mit der Sie zusammen sind, dann lügen Sie. Nach einem Geständnis haben Sie vielleicht ein gutes Gefühl, aber Sie zerstören damit das Leben eines anderen Menschen. Das ist egoistisch. Geben Sie also nie etwas zu.«
»Gerade von einem Polizisten hätte ich diesen Rat nicht erwartet.«
»Ich sage Ihnen das nur, weil ich glaube, dass Sie ein gutes Herz haben. Wenn Sie mit mir über diese Mädchen reden, merke ich, dass es Ihnen zu schaffen macht. Sie sind wie ich. Sie mögen diese Frauen und darum kann ich Ihnen nur raten: Geben Sie nie etwas zu.«
Alien Cop lieferte mir ein paar interessante Informationen. Und drei Tage später, nachdem ich auf eigene Faust an Türen geklopft und Gefälligkeiten gegen Informationen getauscht hatte, wusste ich über Slick und Viktor Bescheid. Vieles bestätigte Helenas Bericht, und manches füllte bestehende Lücken.
Die Firma, die hinter den Geschäften stand, war J Enterprise, eine GmbH in Roppongi, die bei den japanischen Behörden nicht angemeldet war. Die Firma gehörte Slick Imai, der sie auch leitete. Viktor war sein Partner. Die beiden brachten Ausländerinnen nach Tokio und dann in Sexclubs und Massagesalons. Slick führte vier Clubs in Roppongi – »Club Angel«, »Den of Delights«, »Club Divine« und »Club Codex« –, belieferte den »Den of Delicious« in Shibuya und betrieb nebenbei einen Begleitservice. Er war der »König des ausländischen Fleisches« im Bezirk und kassierte so monatlich umgerechnet 20 000 Dollar.
Die meisten Mädchen holte sich Slick aus Israel sowie aus Ungarn, Polen und anderen osteuropäischen Ländern. Er suchte über die Seite www.jobsinjapan.com Hostessen. Ein 22-jähriges kanadisches Mädchen, das auf die Anzeige geantwortet hatte, war zuerst von
einem Anwerbebüro in Deutschland betreut worden, ehe es dann nach Japan kam. Im Jahr 2003 hieß die Firma Entertainment Valentina, aber dieser Name kann sich geändert haben. Meist wurden den Mädchen astronomische vier Millionen Yen (40 000 Dollar) im
Monat versprochen, wenn sie als Hostessen arbeiteten und reiche
Geschäftsleute zum Essen begleiteten. Die Firma zahlte einem Agenten in ihrer Heimat eine Gebühr von 3000 Euro für das Flugticket der Frau und eine Unterkunft in Tokio.
Wenn die Mädchen in Tokio eintrafen, wurden sie abgeholt und in ein Apartment der Firma gebracht, das sie sich mit anderen Mädchen teilen mussten. Spätestens jetzt erfuhren sie, was genau von ihnen erwartet wurde. Finanzieller Druck, Lügen, subtile (und weniger subtile) Drohungen gegen ihre Familie und schlichte Indoktrinierung besorgten den Rest.
Die Mädchen arbeiteten täglich neun Stunden in einem Sexclub und verdienten etwa 100 Dollar am Tag. Davon wurden ihnen
75 Dollar als Gebühren abgezogen. Übrig blieben also 25 Dollar täglich, weitaus weniger als die versprochenen 40 000 Dollar im Monat. Alle hatten Touristenvisa, die einen dreimonatigen Aufenthalt,
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